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Die Lieferung - Roman

Die Lieferung - Roman

Titel: Die Lieferung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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dessen dünne, weiße Haut die Adern schimmerten, und schob die Nadel hinein.
    Allan war neben ihr stehen geblieben, schüttelte den Kopf und seufzte.
    »Die entziehen mir die Lizenz, wenn sie davon Wind bekommen. Wenn ihm was passiert …«
    »Werden sie aber nicht«, sagte Nina. »Und ich werde gut auf ihn aufpassen. Es wird ihm nichts passieren.«
    Allan sah sie seltsam verunsichert an, und Nina war sich nicht ganz sicher, ob ihr das gefiel. Dann wandte er sich wieder dem Jungen zu und zog vorsichtig die karierte Decke weg, die Beine und Unterleib des Jungen bedeckt hatte.
    »Hast du ihn so gefunden?«, erkundigte er sich.
    Nina nickte.
    »Könntest du sehen, ob sie ihm etwas getan haben? Ob er missbraucht worden ist?«, fragte Nina.
    Allan zuckte nachdenklich mit den Schultern und drehte den Jungen wieder auf die Seite, so dass dieser ihm den Rücken zuwendete. Wieder breitete sich der metallische Geschmack in Ninas Mund aus. Sie blickte aus dem Fenster. Es war windiger geworden, die Blätter der großen Kastanie rauschten leise im lauen Wind. Sonst war kein Laut zu hören.
Keine Stimmen, kein Verkehrslärm, keine Kinder. Die Bewohner von Vedbæk machten offensichtlich nicht so viel Lärm wie die Bewohner im Zentrum, dachte sie und merkte, wie ihr das weite T-Shirt am verschwitzten Rücken klebte.
    »Also, ich kann keine direkten Zeichen von Missbrauch erkennen, aber so was lässt sich nie mit Sicherheit sagen. Manche Leute sind unglaublich kreativ, was das betrifft.«
    Allan zog die dünnen weißen Gummihandschuhe mit einem Schnalzen aus, deckte den Jungen wieder zu und strich ihm vorsichtig über die Stirn.
    »Ich gebe dir einen Rat, Nina«, sagte er und richtete zum ersten Mal seinen stahlgrauen Blick direkt auf sie. Der Mann kommt direkt aus einem Arztroman, dachte Nina und spürte einen trotzigen Stich, als ihr Blick über ihn glitt. Er sah durchtrainiert und wohlhabend aus. Tennisfit und kleidsam sonnengebräunt nach den vielen Segelausflügen der Saison. Er trug dunkelblaue Jeans, die über den Knien leicht ausgeblichen waren, wie es die Mode verlangte. Ein gut aussehender praktizierender Arzt, der alles richtig machte und obendrein ein großes persönliches Risiko einging, indem er dem Netzwerk angehörte. Sicher stand seine Praxis auf dem Spiel. Trotzdem spürte sie Unwillen in sich aufkeimen. Gleich würde der gut aussehende Mann ihr erzählen, dass er ihr nicht weiterhelfen und auch für den Jungen nichts tun konnte.
    Allan seufzte leise.
    »Und zwar rate ich dir, mit dem Jungen so schnell wie möglich ins Krankenhaus nach Hvidovre zu fahren. Und wenn etwas schiefgeht …«
    Nina wusste, was er jetzt sagen würde, aber es spielte keine Rolle mehr. Sie hatte gewonnen. Er würde die Polizei nicht verständigen.
    »Wenn irgendetwas schiefgeht und der Junge mit mir und meiner Praxis in Verbindung gebracht wird, habe ich dir genau
diesen Rat gegeben. Und du hast mir gesagt, dass du ihn befolgen wirst.«
    Sie nickte eilig.
    »Ich fahre mit ihm ins Krankenhaus nach Hvidovre«, sagte sie und schaute auf ihre Armbanduhr.
    15.09 Uhr.
    Sie war über eine halbe Stunde in der Klinik gewesen.
    Wieder sah Allan sie mit dem gleichen skeptischen Blick an, der sie an ihre langen, erschöpfenden Streitereien mit Morten erinnerte. Morten, der nicht mehr daran glaubte, dass sie etwas alleine geregelt bekam. Am wenigsten die Kinder. Er sagte das nicht direkt, aber sie entnahm es seiner Wortwahl, wenn er ihr Anweisungen gab, was sie Ida aufs Pausenbrot tun oder welche Kleider sie Anton anziehen sollte. Er hatte sich angewöhnt, extrem langsam und deutlich mit ihr zu sprechen, damit ihr auch ja keine Silbe entging. Und dann versuchte er, ihren Blick festzuhalten, als wäre sie schwerhörig oder schwachsinnig oder beides. Auch in seinen Augen war das zu erkennen, wenn er seine Tasche packte und sich zum Aufbruch bereitmachte.
    Er traute ihr nicht.
    So wie Allan jetzt, aber er wollte sie zumindest nicht zurückhalten. Der Junge aus dem Koffer unterlag nicht seiner Verantwortung. Nur aus diesem Grund ließ er sie gehen.
    »Ihr könnt bleiben, bis er genug Flüssigkeit aufgenommen hat«, sagte Allan. »Danach verschwindet ihr beide. Und pass auf, dass euch nicht zu viele Leute sehen, wenn ihr das Gebäude verlasst, Nina …«
    Als er diesmal ihren Blick auffing, erkannte Nina darin wieder Ungeduld und Verärgerung.
    »Ich bin fertig damit«, erklärte er. »Komm bitte nicht mehr hierher.«

     
    » Sie wollen also behaupten, dass

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