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Die Lieferung - Roman

Die Lieferung - Roman

Titel: Die Lieferung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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sie mit dem Professor ins Bett gegangen war - den Job hatte sie schon vor seiner Zeit gehabt -, aber das lag inzwischen 17 Jahre zurück, so dass sich niemand mehr daran erinnerte. Wenn der Professor aufhörte oder seine Anstellung verlor, würde auch Jolita am nächsten Tag gekündigt werden. Für die Universität war die Selbstständigkeit des Landes kein Zuckerschlecken. Die Ressourcen waren knapp, und die Leute kämpften wie die Hyänen um die wenigen Jobs. Jolitas Dasein hing am seidenen Faden. Die Arbeit, die Wohnung, ihr ganzes Leben lag in den Händen dieses Mannes. Montag und Donnerstag.

    Sigita sollte auch nicht in die Schule gehen, fand Jolita.
    »Das kannst du nächstes Jahr nachholen, wenn das hier überstanden ist«, meinte sie und hob mit fragendem Blick die Kaffeekanne hoch. »Noch einen Schluck?«
    »Nein, danke«, sagte Sigita zerstreut. Sie saß auf einem der beiden einfachen Stühle in der engen Küche. Sie musste inzwischen breitbeinig sitzen, um Platz für ihren Bauch zu haben. »Aber, Jolita … dann habe ich doch schon das Kind.«
    Jolita verstummte einen Augenblick mit erhobener Kaffeekanne, als wäre sie eine Waffe. Sie sah Sigita voller Ernst an.
    »Aber, Schätzchen«, sagte sie. »Du bist doch ein intelligentes Mädchen. Du wirst doch verstehen, dass du das Kind nicht behalten kannst?«
     
    Die Klinik lag in einer großen alten Villa im Viertel Žvėrynas. Es roch nach Farbe und frisch verlegtem Linoleum, und die Stühle im Wartezimmer waren so neu, dass auf einigen sogar noch der Plastiküberzug klebte. Sigita nahm mühsam und mit gespreizten Beinen Platz. Der Schweiß rann ihr über den Rücken und durchnässte das hässliche gelbe Umstandskleid, das ihr Jolita über eine Freundin in der Universität beschafft hatte. In den letzten vier Wochen war das mehr oder weniger das einzige Kleidungsstück gewesen, in das Sigita noch hineinpasste. Sie hasste es aus ganzem Herzen.
    Wenigstens war es jetzt bald vorbei, dachte sie und klammerte sich an diesen Gedanken, als die nächste Wehe kam. Ein tiefer, grunzender Laut entwich ihr. Sie fühlte sich wie ein Tier - eine Kuh, ein Walfisch, ein Elefant. Wie zum Teufel hatte es nur so weit mit ihr kommen können? Sie hielt sich an der Tischkante fest und versuchte, tief durchzuatmen, ganz tief, so wie man es ihr beigebracht hatte, aber es nützte nichts.
    »Aaaah, aaaaah, aaaaaah.«
    Ich will kein Tier sein, dachte sie. Ich will wieder Sigita sein!
    Jolita kam zurück, im Schlepptau eine kleine, rothaarige Frau in einem grünen Kittel. Warum war er nicht weiß? Vielleicht damit es besser zu der frischen mintgrünen Farbe an den Wänden passte?
    »Ich heiße Julija«, stellte sich die Frau vor und streckte ihr die Hand entgegen. Sigita konnte die Tischkante nicht loslassen, also klopfte ihr die Frau stattdessen auf die Schulter. Diese Geste sollte Sigita sicher beruhigen.
    »Wenn Sie selbst gehen können, wäre das sicher das Beste. Wir haben ein Zimmer für Sie vorbereitet.«
    »Ich. Kann. Gut. Gehen«, sagte Sigita und zog sich auf die Beine, ohne die Tischplatte loszulassen. Schwankend folgte sie der Frau mit dem Namen ihrer Großmutter.
    Dann bemerkte sie, dass Jolita sie nicht begleitete. Sigita blieb stehen.
    Jolita knetete sich die Hände. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die langen Finger ihrer einen Hand strichen wieder und wieder über die der anderen, als putzte sie ein Glas.
    »Du schaffst das schon, Schatz«, sagte sie. »Ich komme später wieder.«
    Sigita stand wie gelähmt da. Jolita konnte sie jetzt doch nicht … das konnte doch nicht ihr Ernst sein, dass Sigita das hier allein durchstehen sollte. Ihre Hand streckte sich wie von selbst bittend zu ihrer Tante aus. Eine Geste, die sie sogleich bereute, denn Jolita wich zwei Schritte zurück.
    »Wenn ich wiederkomme, bringe ich dir Schokolade mit«, sagte sie mit einem exaltierten Lächeln. »Und Cola. Das tut gut, wenn man krank ist.«
    Mit diesen Worten drehte sie sich um und stürmte davon.
    Es war Donnerstag.

     
    Nina parkte den Wagen in dem schmalen Abschnitt der Reventlowsgade. Kopfsteinpflaster und eine Reihe klassischer älterer Vesterbro-Häuser säumten die eine Straßenseite, während auf der anderen Seite der lärmende Verkehr der Tietgensgade vorbeirauschte.
    Der Junge wehrte sich ein bisschen, als sie ihm die Shorts anzog, die Sandalen schien er aber zu mögen, auch wenn sie ihm ein wenig zu groß waren. Seine kurzen, weichen Finger spielten mit dem Klettverschluss und

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