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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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Gedanken an die Schwierigkeiten, die vor ihnen lagen. „Wirst du mich jetzt
verlassen?“, fragte sie ängstlich.
    „Niemals! Daran denke ich nicht einmal!“ Er
küsste sie heftig auf den Mund.
    „Dann bin ich froh“, flüsterte sie.
    „Weißt du, dass es mir immer gut gefallen
hat, dass bei euch Christen aus Liebe geheiratet wird?“, offenbarte er ihr.
    „Nicht immer.“ Emily dachte an ihre Mutter
und Mr. Hopkins.
    „Trotzdem ist es anders als bei uns
Muslimen“, beharrte Sabri. „Bei uns kommt die Ehe einem Vertrag zwischen zwei
Familien gleich, bei euch ist sie ein heiliges Versprechen.“
    „Aber was hilft uns das?“
    Er zwang sich ein Lachen ab. „Ich könnte dich
entführen. Bei uns gibt es diesen Brauch. Wenn die Familien der Brautleute der
Ehe nicht zustimmen, kann der Bräutigam die Braut entführen, und sie heiraten
heimlich.“
    „Sie brennen also zusammen durch“, erwiderte
Emily trocken. Plötzlich richtete sie sich auf und packte Sabris Arm. „Das ist die Idee! Du entführst mich! Wir fliehen zusammen, dann können wir heiraten, und
niemand bringt uns mehr auseinander.“
    Sabris Augen wurden groß. „Es wäre
tatsächlich eine Möglichkeit – nicht die beste, aber…“
    „…aber man lässt uns keine Wahl!“, vollendete
Emily.
    Eine Zeitlang beratschlagten sie, wohin sie
fliehen sollten. Qasr el Bahia schied aus, weil man dort zuerst nach ihnen
suchen würde. Auch im Atlas wagten sie nicht, sich zu verstecken, solange die
Berber, die das Gut überfallen hatten, noch dort ihr Unwesen trieben.
Schließlich schlug Sabri Kairo vor. „Die Mutter aller Städte ist so groß, dass
uns niemand findet. Und es gibt genug Arbeit für einen Arzt.“
    Aber Emily hatte noch eine bessere Idee. „Was
hältst du von London? Mutter will mich sowieso nach England schicken. Ich weiß,
dass eines unserer Schiffe, die Queen Charlotte, in der nächsten Zeit nach
London segelt.“
    Sabri ließ sich den Vorschlag durch den Kopf
gehen. Nach seinen Erlebnissen als Arzt auf Qasr el Bahia hatte er mit dem
Gedanken gespielt, noch einmal ans Charing Cross Hospital zurückzugehen, um die
Kunst der Wundpflege und den Umgang mit gebrochenen Gliedmaßen richtig zu
erlernen.
    „London ist gut“, stimmte er schließlich zu.
„Aber ist dir klar, dass wir vielleicht nie wieder hierher zurückkommen
können?“
    Emily schluckte schwer. „Ja.“
    „Und du willst trotzdem mit mir fliehen?“
    „Morgen werde ich Mutter sagen, dass ich mit
der Queen Charlotte nach England reisen werde. Am besten, du besorgst dir dort
gleich eine Kabine. Sie haben nicht viel Platz für Passagiere.“
    Sabri erhob sich und zog sie mit sich empor.
„Ich werde jetzt gehen. Wenn uns jemand entdeckt, ist unser Plan nämlich
gescheitert.“ Er umarmte sie.
    Ihre Augen wanderten forschend über sein
Gesicht. „Du meinst es doch ernst, Sabri, nicht wahr?“
    Er küsste sie ein letztes Mal in dieser
Nacht. „Schick mir Nachricht, und ich werde am Hafen sein!“

Kapitel
zweiunddreißig
     
    Am nächsten Nachmittag tranken Sibylla, Emily
und Victoria auf dem Umgang des Riads Tee. Sie saßen auf Faltstühlen, die sie
im Sommer für Picknickausflüge am Strand benutzten, auf einem Klapptisch
standen frisch gekochter Tee und kleine mit Ingwergelee und kandierten Orangen
gefüllte Kuchen.
    Sibylla massierte erschöpft mit den
Fingerspitzen ihre Schläfen und schaute zu ihrer Tochter, die Charlotte und
Selwyn die Zeichnungen zeigte, die sie auf  Qasr el Bahia angefertigt hatte.
Die ganze Nacht hatte sie sich schlaflos im Bett hin und her gewälzt, unfähig,
die Angst vor der Gefahr, die sie nicht einordnen konnte, abzuschütteln.
    Emily war genauso nervös wie ihre Mutter. Der
Entschluss, mit Sabri zu fliehen, lag ihr schwer im Magen. Bestimmt hatte er
schon seine Passage auf der Queen Charlotte gekauft. Aber Emily fühlte sich bei
dem Gedanken, ihrer Mutter zu sagen, dass sie nun doch nach England wollte, wie
eine Betrügerin. Wieder startete sie einen Versuch und öffnete den Mund, aber
sie brachte kein Wort heraus. Charlotte drängte sich an ihre Knie und tippte
mit einem kleinen Finger auf die Zeichnung in ihrem Schoß. „Ohhh, das ist aber
ein großes Haus!“
    Erleichtert über die Ablenkung erklärte
Emily: „Das Haus heißt Qasr el Bahia und liegt in den Bergen. Siehst du die
Gipfel? Ich habe sie weiß gelassen, weil dort Schnee liegt.“
    „Was ist Schnee?“, fragte Selwyn, der das
Bild ebenfalls neugierig betrachtete.
    Victoria

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