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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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Atlantik verschwunden.
    „Ist es wahr, dass ihr keine Larven mehr
gefunden habt?“ Frédéric war von den Ställen gekommen, um sich zu vergewissern,
dass es wirklich stimmte. Er war jetzt achtzehn Jahre alt, größer als sein
Vater, breitschultrig und muskulös.
    André nickte lächelnd. „Wir sollten bald die
Safranknollen in die Erde bringen.“
    „Das ist gut.“ Frédéric stemmte sich die
Fäuste in die Hüften. „Wir können nicht ewig von unseren Ersparnissen leben.“
    Im Winter hatte er seinen Vater nach Mogador
begleitet. Sie hatten einen Teil ihres Safranvorrates auf dem Souk gegen
Lebensmittel, Saatgut und ein paar Säcke Getreide für die Pferde getauscht.
Danach waren sie sofort nach Qasr el Bahia zurückgeritten. André hatte Sibylla
nicht aufgesucht. Er wollte weder ihre Fragen beantworten noch ihre prüfenden
mitleidigen Blicke ertragen. Er wollte allein sein, sich fern von den Menschen
um seine Kinder und sein Land kümmern.
    „Wir bekommen Besuch.“ Frédéric schaute
angespannt nach Süden. Ein Reiter kam den Hang hinauf, noch zu weit entfernt,
als dass man ihn hätte erkennen können. André tastete automatisch nach dem
Gewehr über seiner Schulter. Seit dem Überfall achtete er genau darauf, die
Waffe immer in Reichweite zu haben, auch wenn sich in den letzten Monaten kaum
eine Menschenseele hierher verirrt hatte. Aber als der Reiter näher kam, ließ
er das Gewehr sinken und ging ihm entgegen. „Asselama en ouen“, grüßte er den
Scheich der Ait Zelten.
    „Asselama.“ Der Scheich musterte André
kritisch. „Du siehst schlecht aus, mein Freund. Wenn ein Mann zu lange ohne
Frau lebt, trocknen seine Lenden aus. Ich habe dir doch immer gesagt, dass eine Frau für einen Mann zu wenig ist. Du“, sagte er und richtete einen knochigen
Finger auf Frédéric, „nimm dir gleich zwei! In meinem Dorf sind viele schöne
Mädchen, die gern einen jungen starken Kerl hätten!“
    „Ein guter Rat!“ Frédéric grinste
geschmeichelt.
    „Hast du uns etwas mitgebracht?“ André wies
auf den bauchigen Leinensack, der vom Sattel des Scheichs hing.
    Das sonnengegerbte Gesicht des Mannes wurde
ernst. „Lange schon stehe ich in deiner Schuld, weil unwürdige Bastarde aus
meinem Volk dein Haus überfallen und Unglück über deine Familie gebracht haben.
Ich habe dir geschworen, diese Schuld zu sühnen, und heute ist endlich der Tag
gekommen: Meine Söhne haben das Schicksal dieser nichtsnutzigen Verbrecher
vollendet. Sie haben sie aufgespürt und getötet, so wie sie es verdient haben.
Nun nagen Geier das Fleisch von ihren Knochen, und ihre Seelen werden ewig in
den Feuergruben der Hölle schmoren!“ Er winkte André, näherzutreten: „Hier,
mein Freund, ich will dir beweisen, dass meine Worte wahr sind.“ Er löste die
Verschnürung des Leinenbeutels, André sah vorsichtig hinein und fuhr sofort
wieder zurück: „Das stinkt ja bestialisch!“
    Doch er hatte den Kopf des Anführers des
Überfalls erkannt, trotz des verwesenden Fleisches und der Würmer, die aus den
leeren Augenhöhlen krochen. Tränen traten ihm in die Augen, und er musste sich
mit einer Hand an der Schulter des Pferdes abstützen. Sein Brustkorb zitterte,
als er tief Luft holte, und er spürte, wie sich die bleierne Schwere, die seit
dem Überfall auf seinen Schultern lastete, langsam hob.
    „Ich danke dir, mein Freund!“, raunte er
heiser. „Du hast meiner Seele ihren Frieden zurückgegeben.“
    „Was ist in dem Sack?“, erkundigte Frédéric
sich naserümpfend. „Es riecht wie drei Wochen altes Aas.“
    André trat beiseite, damit sein Sohn
ebenfalls in den Beutel sehen konnte. Grimmige Befriedigung malte sich auf
Frédérics Gesicht. „Allahs Gerechtigkeit sei Dank!“ Er hob seine geballte
Rechte gen Himmel.
    „Wo hat die Verbrecherbande sich versteckt?“,
fragte André.
    „Die Schurken hatten sich in einer Höhle hoch
im Gebirge verkrochen, aber nicht hoch genug für meine Söhne“, erklärte der
Scheich stolz.
    André lächelte. „Du hast uns gute Nachrichten
gebracht, mein Freund. Sei heute unser Gast! Malika hat einen köstlichen
Lammbraten zubereitet. Und das da“, er zeigte auf den Leinensack, „werfen wir
den Geiern zum Fraß vor.“
    Frédéric lachte dröhnend, doch der Scheich
hob Einhalt gebietend eine Hand. „Ich habe noch mehr wichtige Neuigkeiten für
euch: Unter der Folter haben die Bastarde gestanden, dass es noch jemanden
gibt. Jemanden, der sie zum Überfall auf dein Gut angestiftet

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