Die Londoner Drakulia Vampire 01 - Luzifers Wüstling
Besuch. Dem Kaiser auf der Tasche zu liegen, hat sich wohl für dich bezahlt gemacht?
Jetzt mit Tapeten von Königsblau und Smaragdgrün verkleidet schimmerten die primitiven Steinwände im Widerschein des Feuers, das in einer Art großer Feuerstelle brannte – eine lästige Notwendigkeit in einer unterirdischen Kammer, selbst an Sommerabenden. An den gegenüberliegenden Wänden befanden sich zwei weitere Türen in der Kammer. Gemälde warfen Schatten und Falten auf die Stoffbekleidung der Wände. Ein Mondstrahl schien durch eines der hohen, schmalen Fenster. Lampen leuchteten jeden Winkel des quadratischen Raumes aus, und Sessel und Stühle waren mit Polstern in Dunkelbraun und Blau versehen, vor ihnen schwere Eichentische.
Unter seinen Füßen lagen Felle. In dem kurzen Hinschauen erkannte Voss einen sibirischen Tiger, weiß mit schwarzen Streifen, und zwei weitere, von denen er annahm, sie kamen aus Indien – orangegelb und schwarz. Ein Braunbär, eine ungeheure Menge von Nerzen, zusammengenäht, um vor dem Stuhl, auf dem Moldavi saß, eine Art großen Teppich zu bilden. Ein bisschen zu exotisch für Voss, aber abgesehen davon war Moldavis Geschmack nicht übermäßig protzig.
Dieser lachte über Voss’ Bemerkung. „Dem Kaiser auf der Tasche zu liegen? Ich bin mir nicht sicher, wer wem auf der Tasche liegt.“ Wie bei seinem Diener, so war auch Moldavis Stimme leicht zischelnd, und obschon das mehrere Jahrhunderte zurücklag, war da immer noch ein leichter transylvanischer Akzent zu hören. Weil er es sich zur Aufgabe machte, derlei zu wissen, war Voss bekannt: Einer der Gründe für dieses Zischen war, dass Moldavis Kiefer zertrümmert worden war, als er noch ein Kind war, und seine Zähne waren seither nicht wieder richtig hineingewachsen.
Während er immer darauf achtete, nicht allzu offensichtlich in Angelicas Richtung zu schauen, obwohl er dies lieber als alles andere getan hätte, spazierte Voss weiter ins Zimmer hinein und strich mit der Stiefelspitze wie bewundernd über eines der Felle. Er nutzte die Gelegenheit zu einem raschen Seitenblick in die Ecke und sah immer noch keine Bewegung dort. Seine Nasenflügel zuckten, der Geruch von Blut war übermächtig und süß.
Hier drinnen gab es keine Veranlassung, seine Zähne zu verstecken, und so ließ er zu, dass sie seine untere Lippe berührten, während er das Drängen in ihm unterdrückte, nach Angelica zu schauen. Etwas brannte an seiner Schulter. Die Finger des Teufels.
„Wenn ich darauf wetten müsste“, sagte Voss, „wäre meine Vermutung die, dass ihr euch gegenseitig als nützlich betrachtet ... in gewisser Weise. Nicht zuletzt hat der Hang des Kaisers zu Schlachten und Verwundeten es dir sicherlich an nichts mangeln lassen.“
„Man weiß, dass ich den einfachen Tafelfreuden eines Schlachtfelds nicht abhold gewesen bin. Du vermutest richtig, dass wir uns gegenseitig bei unseren Neigungen aushelfen.“
Das Gesicht von Voss blieb nichtssagend. Moldavis Asthenie war etwas so Alltägliches in der Welt der Sterblichen, dass seinem Handlungsspielraum in der Welt da oben dadurch äußerst enge Grenzen gezogen waren. Ansonsten wäre Napoleon Bonaparte lediglich ein kleines Rädchen im großen Getriebe von Moldavis Welt geworden, anstatt ein Partner zu sein. „Der Kaiser kann sich“, erwiderte er, „in der Tat glücklich schätzen, über deine Fähigkeiten und Intelligenz zu verfügen.“
Wenn Voss erst einmal in Erfahrung gebracht hätte, was Moldavi so schwach machte – weswegen er sich von der Welt der Sterblichen regelrecht abschotten musste, um dem nicht ausgesetzt zu sein (Silber? Gold? Papier? Tinte? Äpfel?) –, würde dies seine Chancen deutlich erhöhen, sich und Angelica ohne großes Blutvergießen (sozusagen) dort herauszubringen. Und wie es so kommt, standen seine Chancen für dieses Vorhaben dank Chas Woodmore gar nicht schlecht.
„Nun, was bringt dich denn zu mir? Belial erzählte mir, er hätte dich noch vor wenigen Tagen in London gesehen.“
„Da war ich auch. Aber es ist so öde. Da der Handel nun verboten wurde, ist dort keine Flasche guten Armagnacs oder Champagners mehr aufzutreiben. Die Frauen zieren sich beim Walzer. Und die Mode ... muss ich noch fortfahren?“ Er zeigte auf seine eigene Kleidung. Kleider, die er in Amerika getragen hatte, und die er auf dieser Reise trug, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. „Also habe ich mir gedacht, sollte
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