Die Londoner Drakulia Vampire 01 - Luzifers Wüstling
jemand beispielsweise von einer Kutsche überfahren wird. Oder erschossen. Oder eine Treppe hinunterfällt.“
Oder von einer Brücke fällt.
Angelica biss sich auf die Lippe. Jener Traum war so eigentümlich gewesen, so unerwartet. Sie hatte noch nie zuvor etwas Vergleichbares erlebt ... denn es war nicht wie ihre sonstigen Visionen. Nicht nur hatte sie von tatsächlichen Ereignissen geträumt, diese waren ihr zudem noch ohne Beschwörung erschienen. Und das, was das Ganze so schrecklich real machte, war das Erscheinen eben jenes Mannes aus ihrem Traum hier heute Abend. Es gab ihn wirklich. Und er war exakt so gekleidet wie in ihrem Traum, bis hin zum Halstuch.
Was bedeutete, er würde sehr wahrscheinlich heute Abend sterben.
Ihre Lippe schmerzte, wo sie darauf gebissen hatte. Aber Angelica beachtete es nicht. Was hätte sie sonst noch tun können? Sie hatte Lord Brickbank gewarnt und seine herablassenden Blicke über sich ergehen lassen, sowie die seines skeptischen, attraktiven Begleiters. Wer war er?
Ah, ja. Dewhurst.
Er hatte nicht den Eindruck erweckt, interessierter an ihrer Ansprache und ihrer Warnung gewesen zu sein, als Lord Brickbank es war. Aber Angelica war ein Schauer über die Haut gewandert, als er sie angeschaut hatte. Als ob er suchen würde ... nach etwas.
„Ich muss gehen“, sagte sie zu Miss Yarmouth. „Ich wünsche das Beste für Sie, und ich bete, dass Sie eine Entscheidung treffen, die Sie sehr glücklich machen wird, und auch Ihren Vater sowie Baron Framingham.“
Sie machte eine kleine Verbeugung und ließ die junge Frau alleine, die nun überaus betrübt und etwas verloren aussah, wie sie da im Zimmer alleine auf ihrem Stühlchen saß.
Außerhalb des warmen, von Teerosen- und Rosenduft durchzogenen Ruheraums für die Balldamen, war es Angelica endlich möglich, etwas freier zu atmen. Die Räumlichkeiten, in denen die Damen sich eventuell entkleiden müssten, um etwa einen Fehler in der Abendtoilette oder einen lädierten Saum auszubessern, waren verständlicherweise gut beheizt. Zusammen mit dem Puder, das allenthalben in der Luft hing, machte dies sie aber zu einer sehr stickigen Angelegenheit.
„Ah, Miss Woodmore. Welch glücklicher Zufall.“
Beim Klang der tiefen, samtenen Stimme drehte Angelica sich um und merkte, wie ihr Herz einen kleinen Hüpfer tat. Aus irgendeinem absurden Grund waren ihr die Wangen gerade sehr warm geworden, als sie gerade keinem Geringeren als dem Viscount Dewhurst begegnete. „Was meinen Sie denn damit, Mylord?“, fragte sie.
Er schien aus dem Nichts aufgetaucht zu sein, denn der Korridor, den sie in dem Moment entlang lief, war noch leer gewesen, als sie aus dem anderen Zimmer gekommen war. Sie hatte weder das Öffnen einer Tür gehört noch das Geräusch von Schritten. Es sei denn, er hätte auf sie gewartet ...
Eine leichte Unruhe kam kurz über sie, und zu dieser gesellte sich auch – ja, so ehrlich musste sie sein – eine angenehmes Prickeln. Faszination kitzelte sie an den Schultern, als sie an ihm vorbeiblickte, um festzustellen, wie weit genau sie nun eigentlich schon vom Ballgetümmel entfernt waren. Außer Hörweite, das stand fest. Das Herz schlug zwar wild in ihrer Brust, und ihre Handflächen waren unter den Handschuhen etwas feucht geworden, aber sie fühlte sich nicht nervös oder bedroht.
Alles erschien ihr ... so scharf.
So sehr scharf.
Er trat aus dem schmalen Schatten einer Statue auf einem dicken Sockel, was wahrscheinlich dazu beigetragen hatte, dass sie nicht gesehen hatte, wie er hinter ihr in den Gang geglitten war. „Ich hatte gehofft, Ihre Hand für einen Tanz gewinnen zu können. Das heißt ... wenn Sie nicht schon vergeben sind“, sagte er mit der gleichen warmen Stimme. „Aber Sie waren auf einmal verschwunden, und ich dachte, ich hätte keine Chance mehr. Aber gerade, wo ich alle Hoffnung fahren ließ, hat mich das Glück wiedergefunden, und damit ich Sie ebenfalls.“ Die Dramatik seiner Worte wurde durch das Zwinkern in seinen Augen relativiert.
Angelica hatte ihre Tanzkarte völlig vergessen, die sie irgendwann in ihren Pompadour gestopft hatte, bevor sie Miss Yarmouth traf. Sie war natürlich schon komplett ausgefüllt, und sie hatte bereits zwei Tänze mit anderen Gentlemen verpasst. Was bedeutete, dass die beiden Herren nun sicherlich schon auf der Suche nach ihr waren, um andere Tänze einzufordern. Sie war jenseits von ausgebucht.
Aber ihr Mund reagierte, bevor sie noch wusste, was
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