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Die Luft, die uns traegt

Die Luft, die uns traegt

Titel: Die Luft, die uns traegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Hinnefeld
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Scarlet, als sie vor Jahren in Burnham zu Besuch war, uralt vorkam.
    » Über so was denkst du jetzt nach, was?«, fragt er lachend. »Wenn du nach einer Erklärung für deine Größe suchst, habe ich keine. Obwohl man mir erzählt hat, mein Vater sei, für die Verhältnisse meiner Familie, groß gewesen – um die eins achtzig, hieß es.« Er trinkt einen Schluck Kaffee und sieht in den Rückspiegel.
    Zwischen ihnen stehen auf dem zerrissenen Plastiksitz eine
fast volle Thermoskanne und ein Korb, den Cora am Nachmittag gepackt hat und in dem sich genug Proviant für eine ganze Tagesreise befindet, obwohl die Fahrt von Cider Cove nach Burnham nur zwei Stunden dauert.
    »Ich weiß ja nicht, wohin ihr fahrt, auch wenn ich es mir denken kann«, sagte Cora, als sie Tom auf dem verlassenen Parkplatz hinter dem Fischrestaurant den Korb gab. »In jedem Fall reicht das Essen hier drin auch bis Scranton, falls ihr unterwegs zufällig zur Vernunft kommen solltet.« Sie sah müde und besorgt aus, als Scarlet sie zum Abschied umarmte.
    Lou hatte es vorgezogen, nicht mit zum Kühlhaus zu kommen, wo Cora Tom und Scarlet half, Addies Leichnam das schlichte Baumwollhemd anzuziehen, das sie gerade fertig genäht hatte. Sie alle hatten bis in die Abendstunden geschlafen, und vor ihrer Abfahrt hatte Lou sowohl Tom als auch Scarlet kurz umarmt. »Sei vernünftig, Tom«, hatte sie noch gesagt.
    Als sie aus dem Parkplatz bogen und über die stille Straße ein letztes Mal an Coras Haus vorbeifuhren, bemerkte Scarlet, dass Lou dort im Schatten der Veranda verborgen stand und ihnen nachblickte. Sie konnte die rote Glut ihrer Zigarette erkennen.
    Nun fährt Dustin mit Toms Wagen hinter ihnen her. Sie sind, sagt Tom, »genau im Zeitplan« und müssten Toms und Addies Cottage an der Haupt Bridge Road gegen zehn Uhr erreichen.
    Dann erst fängt die richtige Arbeit an. Also ist jetzt der Moment, Tom ein paar Fragen zu stellen, beschließt Scarlet.
    Sie hat mit der leichten angefangen. Ihre Größe könnte sie also von ihrem irischen Großvater geerbt haben – keine besondere Offenbarung. Vermutlich konnte man dasselbe auch von ihrem rötlichen Haar sagen, obwohl Addie »glaubte, sich zu erinnern«, dass Onkel Johns Haare als Kind ebenfalls irgendwie
rot waren. Es ist erstaunlich und ein bisschen erschreckend, wie wenig Scarlet von ihrer Verwandtschaft weiß. Sie hat seit ihrer ersten Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung vor einer Woche oft darüber nachgedacht.
    »Glaubst du, Cora weiß es, Tom?«, fragt sie als Nächstes, wobei sie sich unbewusst den Bauch tätschelt.
    »Dass du schwanger bist? Hast du nicht gesagt, du hättest ihr wenigstens das erzählt?«
    »Das hab ich auch. Du weißt schon, was ich meine.«
    »Tja, weder Addie noch ich haben es ihr gesagt, falls das deine Frage ist«, entgegnet er. »Addie fand, das müsste von dir kommen.«
    »Nein, das meinte ich nicht. Ich habe nicht geglaubt, dass ihr es ihr erzählt habt. Es ist nur, dass … ich weiß auch nicht. In den letzten Tagen hatte ich manchmal das Gefühl, dass sie es einfach wusste . Sie wirkte fast nicht überrascht, als ich ihr von der Schwangerschaft erzählt habe, und sie hat mich überhaupt nicht nach dem Vater gefragt.«
    »Ich kann mir vorstellen, dass sie denkt, es wäre Alex, meinst du nicht?«
    Scarlet seufzt und rutscht auf ihrem Sitz herum. Die Federn bohren sich praktisch durch den uralten Plastikbezug. »Kann gut sein«, gibt sie zu. Jetzt ist sie enttäuscht von sich, dass sie die Gelegenheit der letzten Tage nicht genutzt hat, um es Cora zu erzählen. Wie sie es Bobby versprochen hatte.
    »Sie weiß natürlich schon, dass Bobby die Woche nach den Anschlägen im letzten Herbst bei dir verbracht hat. Und wahrscheinlich weiß sie auch, dass ihr in Kontakt steht, seit er den Entzug angefangen hat – wobei ihr vielleicht nicht ganz klar ist, wie eng dieser Kontakt ist.«
    Er lacht, ein nervöses kurzes Lachen, und sie wechseln rasch einen Blick. Dann wendet sich Tom wieder der Straße zu, und
Scarlet betrachtet durch die Seitenscheibe den dunklen Wald, durch den hin und wieder der Fluss aufblitzt.
    »Sollte nicht überhaupt besser Bobby derjenige sein, der es ihr erzählt?«, fragt er schließlich.
    »Er traut sich nicht«, sagt Scarlet.
    Tom schüttelt den Kopf. »Ich glaube, ihr unterschätzt Cora beide, Scarlet.«
    »Es ist nicht so, dass er Angst hat, sie könnte böse werden. Ich glaube, er hat Angst, sie könnte böse werden und so tun, als wäre sie es

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