Die Macht der Angst (German Edition)
Augen aus einer Wolke schmutzigen, zerrissenen Chiffons zu ihm hoch. Knallrote Schuhe sahen unter dem Rocksaum hervor. »Ich … ich … Oh, mein Gott«, stammelte sie. »Lieber Gott. Das war … das war –«
»Lass uns von hier abhauen«, unterbrach er sie.
»Ja«, stimmte sie ihm inbrünstig zu, doch als er sie auf die Füße zog, taumelte sie gegen ihn. Ihre Zeichentasche war am Fuß der Treppe gelandet, zusammen mit ihrem Koffer. Kev hob beides auf und zog Edie hinter sich her. Ihre Schritte waren so wackelig wie die einer Betrunkenen. Sie war fix und fertig. Diese verfluchten Bastarde.
Kev bedachte Chilikers’ Volvo mit einem finsteren Blick, als sie einstiegen. Er war sich relativ sicher, dass sie seine Wohnung unbemerkt verlassen hatten, und noch wusste niemand, dass der Wagen ihm gehörte. Er hatte ihn hier geparkt, und diese Typen waren bei ihrer Ankunft noch nicht da gewesen. Vielleicht war Edies Adresse einfach die nächste auf ihrer Liste gewesen. Oder jemand hatte die Männer von ihrem Eintreffen unterrichtet. Womöglich stand ihr Apartment unter Observation oder wurde per Video überwacht, was bedeutete, dass an dem Auto eine Wanze oder ein GPS -Gerät angebracht worden sein könnte. Kev hätte es minutiös auseinandernehmen müssen, um Gewissheit zu erlangen. Wer hatte Zeit für solchen Scheiß?
Er setzte Edie auf den Beifahrersitz, dann scherte er vom Randstein auf die Straße ein und tippte dabei die Nummer des Taxiservice in sein Handy. Als Treffpunkt vereinbarte er die Ausstiegszone für Passagiere internationaler Flüge am Flughafen von Portland. Falls jemand ihm via GPS folgte, würde die Jagd dort enden, und der Verfolger konnte sich ins Knie ficken.
Kev legte die Hand auf Edies Oberschenkel. Ihre unbewegte Miene gab keinen Hinweis darauf, wie angeschlagen sie wirklich war. Ob er sie ins Krankenhaus bringen sollte. Das wäre vermutlich das Verantwortungsvollste, aber in seinem Leben war nichts so einfach. In einer Klinik könnte er sie nicht beschützen. Und er vertraute nicht darauf, dass Hackfresse Ditillo und seine Männer es tun würden. Edie musste auch vor ihnen beschützt werden. Spätestens dann, wenn Parrish wieder gut genug in Form war, um die Papiere zu unterzeichnen, die ihn dazu berechtigten, seine Tochter einweisen zu lassen. Um sie von gefährlichem Abschaum wie ihm fernzuhalten.
Ihr Atem ging flach. Kev hörte, dass ihre Zähne klapperten. Als sie endlich am Flughafen ankamen, war er zu einer Entscheidung gelangt.
Kev entdeckte das Taxi, das er bestellt hatte, und parkte direkt dahinter. Er nahm Edies Hand. Zart und zerbrechlich wie ein kleiner Vogel zitterte sie in seiner. Aber Edie war alles andere als zerbrechlich, ganz gleich, wie verletzbar sie schien.
»Süße«, sagte er. »Ich brauche deinen Input.«
Sie atmete überrascht ein. »Ausgerechnet meinen?«
»Ja, deinen.« Kev streichelte ihre bibbernde Hand, versuchte, sie zu beruhigen. Ach, verdammt. Er klappte die Mittelkonsole hoch, rutschte zu Edie hinüber, nahm sie in die Arme und drückte sie an sich.
Es half. Nach ein paar Minuten verlangsamte ihr Herzschlag seinen wilden Galopp. Er spürte, wie sehr sie sich anstrengte, tiefer zu atmen und ihre Fassung wiederzufinden.
»Meinen Input«, wiederholte sie, ihre Stimme dünn vor Anspannung. »Schieß los.«
Kev stieß die Tür auf. »Lass uns erst aussteigen. Der Wagen könnte verwanzt sein.«
Ihre Handtasche an ihre Brust pressend, folgte sie ihm schwankend nach draußen. Er zog sie an sich, dann ließ er seinen Radarblick über die Menschen und Autos, die kamen und gingen, schweifen, während er ihr ins Ohr flüsterte: »Wir haben zwei Möglichkeiten. Wir könnten in das Taxi steigen, das ich bestellt habe, und uns in einem billigen Motel außerhalb der Stadt einquartieren, wo ich bar zahlen kann, und unsere Spuren verwischen. Wir kommen dort zur Ruhe, holen ein wenig Schlaf nach und denken über unsere Optionen nach. Oder ich bringe dich in ein Krankenhaus, damit man dich untersucht und deinen Schock behandelt. Es ist deine Entscheidung.«
»Hm.« Edie schluckte mühsam. »Ich … ich denke, mir fehlt nichts. Bis auf ein paar blaue Flecken vielleicht.«
»Wenn ich dich ins Krankenhaus brächte, hätte ich Angst um deine Sicherheit«, fuhr er grimmig fort. »Ich müsste die Polizei verständigen, eine Aussage zu Protokoll geben und uns damit auf dem Präsentierteller servieren. Deine Familie würde dir Daumenschrauben anlegen. Und sie hätten ein paar
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