Die Macht der Angst (German Edition)
vereinfachen.
Sie hatten sich ausgerechnet, dass die beste Zeit, um Bruno mundtot zu machen, der frühe Morgen wäre, wenn er vor der Schule im Lokal seines Großonkels frühstückte. Die Straße würde leer und Tony in dem Apartment eine Etage höher noch im Tiefschlaf sein. Unten würde nur der Junge sitzen und seine Eier essen, zusammen mit diesem abgefuckten Spasti, der in dem Verschlag hinter dem Imbiss hauste. Der für Tony Böden schrubbte und Teller wusch. Der nicht sprechen konnte. Wie überaus praktisch.
Bruno erinnerte jede Minute dieses Morgens mit eigenartiger Klarheit. Er hatte wie immer um fünf Uhr früh an die Tür des Lokals gehämmert, bis Kev aufgestanden war und ihn reingelassen hatte. Er hatte sich an den Tresen gehockt und unentwegt gequasselt, während Kev sein Frühstück zubereitet und es ihm serviert hatte. Drei Eier, halb durchgegart, mit jeder Menge Pfeffer, gegrilltem Schinken und dick mit klebrigem Traubengelee beschmierten Weißbrotscheiben. Plötzlich waren Rudy und die zwei anderen Wichser hereingestürmt und hatten Bruno von seinem Hocker gezerrt. Rudy hatte ihm das Medaillon, das seine Mutter ihm geschenkt hatte und das er Tag und Nacht trug, vom Hals gerissen und ihn anschließend zur Tür geschleift.
Was dann passierte, erschien dem wie am Spieß brüllenden Bruno in seiner vornübergebeugten Haltung und mit dem auf den Rücken gedrehten Arm wie eine Szene aus einem Actionfilm, betrachtet aus einem künstlerisch anmutenden Über-Kopf-Blickwinkel. Gleich einer todbringenden Frisbeescheibe traf ein Teller einen der Kerle mit gemeiner Präzision auf die Nasenwurzel. Der Gangster krachte in das gewölbte Glas der Kuchenvitrine und landete mit dem Hintern in den Sahnetörtchen. Blut, Scherben, Reispudding und Kokossoße spritzte nach allen Seiten.
Und dann ging ein völlig verwandelter Kev ernsthaft zum Angriff über. Bruno wurde beiseitegeschleudert, als der Sturm losbrach. Er rollte sich unter den Tisch und sah mit aufgerissenen Augen und runtergeklappter Kinnlade zu.
Es war kein fairer Kampf, und das trotz der Messer der Angreifer. Die Gangster konnten nicht einen einzigen Treffer landen. Kev duckte sich weg, sprang zur Seite, wich jeder Attacke mit beiläufiger Grazie aus. Dann versetzte er Rudy einen Tritt ins Gesicht, dass dieser mit rudernden Armen über einen Tisch segelte. Er packte den anderen Kerl, der auf ihn zustürzte, am Kragen, hob ihn hoch wie eine Puppe und schleuderte ihn mit dem Kopf voran durch das Ladenfenster. Rudys Kampfgebrüll mischte sich mit dem Geräusch zersplitternden Glases, doch sein überstürzter Gegenangriff endete genau wie die vorherigen Attacken. Eine hektische Abfolge von Bewegungen, ein Überschlag, eine Drehung, ein Aufprall, und Rudy lag seitlich auf dem Boden, ein Arm gebrochen, sein eigenes Messer in seinem Gesäß steckend. Die Gabel, mit der Bruno seine Spiegeleier gegessen hatte, ragte grotesk aus Rudys Lendengegend. Der Gangster rollte sich brüllend zu einem Ball zusammen, wobei er wie von Sinnen mit seiner unverletzten Hand den roten Fleck befühlte, der sich in seinem Schritt ausbreitete.
Tony hatte das Zerklirren der Scheibe gehört. In Boxershorts und Unterhemd kam er nach unten gestürzt. Er betrachtete die Verwüstung, zog den schluchzenden Bruno unter dem Tisch hervor, inspizierte ihn von Kopf bis Fuß und gab ihm dann eine Kopfnuss. Er versetzte dem jaulenden Rudy einen unsanften Fußtritt, bevor er Kev abschätzend musterte.
»Lass nächstes Mal die Fenster heil«, bemerkte er lakonisch. »Die Dinger sind teuer. Und jetzt hilf mir, diesen Müll hier zu entsorgen.«
Bruno, Kev und Tony schleiften die blutüberströmten Ganoven durch die Küche und in die Seitengasse, wo Tonys Wagen parkte. Zaghaft erkundigte Bruno sich, ob sie die Polizei alarmieren sollten. Sein Großonkel quittierte das mit einem Blick, der Bände sprach. »Verspürst du Todessehnsucht, Junge?«
Die Frage war berechtigt, nach dem, was in Newark passiert war.
Tony wies sie an, den blutverschmierten Gehweg abzuspritzen und ein WEGEN - RENOVIERUNG - GESCHLOSSEN -Schild in die Tür zu hängen. Anschließend war er mit seinem Pick-up davongebraust.
Das war der Moment, in dem Bruno aufgehört hatte, Kev aus purer Neugier überallhin zu folgen; seitdem tat er es aus Heldenverehrung. Auch Tony änderte seine Einstellung zu Kev. Er ging dazu über, ihn anzustarren, wann immer der junge Mann ihm den Rücken zukehrte. Brütete darüber, was in seinem Kopf
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