Die Macht der Medusa
die es geschafft hatte, sich über die normalen Grenzen hinwegzusetzen. Sie war zu allein gewesen. Ohne Hilfe hatte sie es nicht schaffen können.
»Schlangen und Blut«, wiederholte Jane Collins die Worte der Frau flüsternd. »Sie hat recht gehabt...«
Es war still in ihrer Umgebung. Auch von John und Suko hörte sie nichts. Die dicke Decke mußte die Geräusche verschlucken, wenn sie oben unterwegs waren.
Bis sie plötzlich aufschreckte.
Ein Geräusch hatte Jane aus ihren Gedanken gerissen. Sie wußte noch nicht, wie sie es einordnen sollte, aber daß sie sich nicht getäuscht hatte, stand für sie fest.
Im Zimmer war es aufgeklungen. Kein Kratzen oder Scharren, auch kein Stoßen, sondern ein leises Schaben oder Huschen. Und das ganz in der Nähe.
Jane hielt die Luft an. Sie konzentrierte sich. Sie spürte den Druck hinter der Stirn, und jeder Schlag des Herzens kam ihr noch lauter vor.
Die Beleuchtung war nicht gut im Raum. Es brannte kein Licht. Nur durch das Fenster sickerte die Helligkeit des Tages.
Jane war das recht günstig, so daß sie das Zimmer überblicken konnte. Das Fenster lag hinter ihr, und der Fußboden wirkte schmutzig, grau und schattig.
Aber er lebte.
Etwas bewegte sich dort.
Nicht nur an einer Stelle, sondern an verschiedenen gleichzeitig. Da mußte sich der Boden geöffnet haben oder sie hatten sich hervorragend versteckt gehabt.
Aber jetzt waren sie da.
Dünne, häßliche Schlangen...
***
Suko und ich standen neben dem Bett. Wir konnten nicht feststellen, wie lange der Mann schon tot war. Er lag quer auf dem Bett. Daß er ein Angler war, erkannten wir daran, daß er noch seine hohen Anglerstiefel trug, mit denen er auch im Wasser schreiten konnte, ohne nasse Beine zu bekommen.
Er trug ein kariertes Hemd, eine dunkle Weste, und an einigen Stellen war der Stoff zerrissen. Sein Mund stand weit offen, wie zu einem letzten Schrei. Auch die Augen waren nicht geschlossen. Ich versuchte es, doch es war leider nicht möglich. Auch die dünnen Lider waren zu Stein geworden und ließen sich nicht bewegen.
Ein Koffer stand auf dem Boden. Es gab keinen Schrank. Dafür eine Eisenstange, an die der Gast seine Kleidung hängen konnte. Immerhin auf Bügel. Dort hingen eine Jacke und eine Hose.
»Nicht nur sie«, stellte Suko fest. »Auch dieser Angler ist erwischt worden.«
»Er hat es nicht mehr geschafft«, sagte ich.
»Was meinst du damit?«
»Nach draußen zu laufen wie Rita. Aber gebracht hat es ihr letztendlich auch nichts.«
Suko nickte vor sich hin. »Wenn ich mir den Mann so anschaue, dann hat es ihn hier erwischt, John. Hier im Haus. Also können und müssen wir davon ausgehen, daß Schlangen oder wer auch immer sich hier noch aufhalten ein Nest gefunden haben. Medusa ist eben überall, auch wenn sie nicht persönlich erscheint.«
»Es stört mich«, sagte ich. »Es stört mich ganz gewaltig.«
»Und dein Kreuz schafft sie.«
»Ja.«
»Da würde ich doch vorschlagen, daß wir uns mal den Körper des Toten genauer anschauen. Wie ist das bei Rita gewesen? Da hast du Schlangen in ihr gesehen. Aber sie waren nicht versteinert, auch wenn sie so ausgesehen haben.«
»Da kannst du den Arzt fragen. Für ihn ging praktisch eine Welt unter.«
»Ist gut vorstellbar.«
Er bückte sich dem Versteinerten entgegen. Suko machte ich nicht die Mühe, die Knöpfe des Hemds normal zu öffnen. Er riß den Stoff einfach auf, so daß die Knöpfe wie Perlen durch die Luft sprangen. Ein Unterhemd trug der Mann nicht.
Die Brust lag frei vor uns.
Ich hatte meine Lampe aus der Tasche geholt, um etwas mehr Licht zu haben. Wie ein langer Eiszapfen strich das Licht über die nackte Brust des Toten hinweg. Er mußte hin und wieder mit bloßem Oberkörper gefischt haben, denn die Haut zeigte eine gesunde Sommerbräune. Die allerdings übersahen wir, denn ich wurde bei seinem Anblick wieder an Rita Forman erinnert. Unter der Haut sahen wir beide die dunklen Streifen. Suko strich über einen mit dem Finger hinweg. »Ist das eine der Schlangen, wie du sie von Rita her kennst?«
»Ja.«
»Dann müssen wir uns darauf einstellen, daß sie plötzlich erwachen und uns angreifen?«
»So war es.«
»Darf ich?«
»Bitte.« Ich trat zur Seite, um meinem Freund den nötigen Platz zu schaffen. Ich wußte auch, was Suko vorhatte, und irrte mich nicht, denn er holte die Dämonenpeitsche hervor, schlug einmal den Kreis, und dann ging alles blitzschnell.
Die drei Riemen klatschten auf die harte Gestalt. Es
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