Die Macht der Seelen 1 - Finding Sky
Ich kann dich nicht dazu zwingen, mir die Vergangenheit zu zeigen. Ich kann nur die Türen öffnen, die du für mich aufsperrst.«
»Ich verstehe.« Zeds Nähe - ich saß vor ihm zwischen seinen Beinen und lehnte mich an ihn -, die Wärme seiner Brust an meinem Rücken, gab mir Kraft. »Und wenn ich die Tür verschlossen lassen möchte?«
»Dann tust du das. Aber wir glauben, dass du dir allmählich ein umfassendes Bild von deiner Vergangenheit und von den Dingen, die dir widerfahren sind, machen musst, um unterscheiden zu können, was wahr ist und was du dir nur einbildest.«
Ich zog die Stirn kraus. Mir gefiel nicht, wie sich das anhörte.
»Das ist wie in der Musik, Sky«, sagte Zed. »Bei der Orchestrierung eines Stücks verteilt man die Instrumente auf die einzelnen Stimmen. Du spielst schon seit geraumer Zeit die Melodie, aber wir glauben, dass du den Bass oder die Begleitstimme auslässt.«
»Spielst du darauf an, was mir als Kind passiert ist?«
»Ja.«
Dunkle Nischen. Köstliche Schichten von Schmerz und Verlassenheit. Wer hatte mich so gleich noch mal beschrieben?
»Wenn du weißt, was sich hinter all deinen Türen verbirgt, wird es für dich auch einfacher sein, sie vor anderen verschlossen zu halten, damit du nicht mehr so leicht zu lesen bist. Und du würdest auf die verschollenen Erinnerungen der jüngsten Ereignisse zugreifen können.«
Das wollte ich unbedingt, egal, wie viel Angst mir die ganze Sache auch machte. »Okay, dann kann’s jetzt losgehen.«
Mrs Benedict zog die Vorhänge zu und Yves entzündete mit einem Fingerschnipsen die Kerzen im Raum - das war der Sohn, der Dinge in die Luft jagen konnte, erinnerte ich mich. Die Kerzen dufteten nach Vanille und Zimt. Im Haus war es sehr still. Wir konnten in der Ferne hören, wie sich die Leute auf den Pisten vergnügten, das Rumpeln der Seilbahn bei der Anfahrt, das Pfeifen des Windes im Geäst der Bäume, aber in diesem Raum, an diesem Zufluchtsort, war alles friedlich. Ich konnte spüren, wie mich die Gaben der Benedicts eine nach der anderen streiften - nur ein zarter Hauch, nichts Beunruhigendes. Zed hielt mich noch immer mit seinen Armen umschlungen. Er war entspannt, unbekümmert.
Xav, der Heiler, ergriff als Erster das Wort: »Sky, in medizinischer Hinsicht ist mit dir alles in Ordnung -ich sehe keine Anzeichen einer psychischen Erkrankung, auch wenn ich deine Not spüren konnte.«
Zed liebkoste meinen Nacken. »Doch nicht plemplem.«
»Ich kann die Zukunft nicht deutlich erkennen«, gab Karla zu. »Es gibt zu viele mögliche Wege, die sich aus diesem Augenblick eröffnen.«
»Aber ich weiß, wo sie in der letzten Zeit gewiesen ist«, warf Trace ein. »Sie hat sich in einem Zimmer eines Luxushotels aufgehalten ... Satinbettwäsche, viele Gläser ... und du hast etwas aus weißem Leder berührt sowie einen dicken, weichen Teppich. Ich kann mit großer Sicherheit sagen, dass du irgendwo festgehalten worden bist, bevor du in die Lagerhalle verfrachtet wurdest. Wenn wir an die Klamotten rankämen, die du anhattest, könnte ich vermutlich noch mehr sagen.«
»Die Gefahr ist noch nicht vorüber«, sagte Saul, der seine Gabe dazu benutzte, unsere Verfolger zu erspüren.
Will nickte. »Ich spüre, dass es nicht nur eine Person ist, die nach dir sucht.«
Ich wandte mich zu Zed um. »Ist das alles bei dir auch so angekommen?«
»Mhm. Ich habe auch noch gesehen, dass es die beiden Kerle aus dem Lagerhaus waren, die damals im Wald auf uns geschossen haben. O’Halloran war ein Savant, der außerordentlich gut im Abschirmen war. Ich frage mich, ob ich deshalb etwas Fremdes in deinem Geist spüren konnte. Hast du das auch gesehen, Uriel?«
Uriel tätschelte mir tröstend das Knie. »Ja, und ich glaube, ich weiß auch, was es ist, obwohl ich nicht weiß, wie es da hingekommen ist. Sky, deine Eltern sind Künstler, stimmt’s?«
Ich nickte.
»Du weißt ja bestimmt, dass es in der Kunst seit jeher Übermalungen gab. Das haben bereits die Alten Meister so gemacht und auch bei Fälschungen wird manchmal so vorgegangen. Man nimmt einfach das alte Bild, malt ein neues darüber, und um das ursprüngliche anzusehen, muss man eine Farbschicht abtragen. Tja, das Gleiche hat jemand mit deinem Gedächtnis gemacht.«
»Und was ist das Original und was die Fälschung?«
»Um das herauszufinden, müssen wir zu den Anfängen zurück ...«
»Werden alle dabei Zusehen?« Es war schon schlimm genug, dass ich mir selbst meine Vergangenheit anschauen
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