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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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zum Labor in Augusta zu fahren, ist auf einer Bank in der Eingangshalle eingeschlafen. Als er eine kühle Hand im Nacken spürt, schreckt er hoch und setzt sich so schnell auf, daß ihm kurz schwindelig wird. Frankie steht vor ihm und hält einen Bericht in der Hand. »Und?« fragt er.
    Â»Das Zahnmark war chimärisch.«
    Â»Im Klartext?«
    Frankie setzt sich neben ihn. »Wir verwenden Zahnmark für diesen Test, weil es sowohl Blutzellen als auch Gewebezellen enthält. Bei Ihnen und bei mir und bei den meisten Menschen ist die DNA in beiden Zellarten dieselbe. Aber bei jemandem, der eine Knochenmarktransplantation gehabt hat, ist im Zahnmark eine Mischung aus zwei DNA -Profilen feststellbar. Das erste Profil ist die DNA , mit der er geboren wurde. Sie befindet sich in den Gewebezellen. Das zweite Profil ist die DNA , die von dem Knochenmarkspender stammt, und die befindet sich in den Blutzellen. Im Zahnmark desVerdächtigen habe ich eine Mischung festgestellt.«
    Quentin betrachtet stirnrunzelnd die Zahlen auf dem Blatt Papier. »Also –«
    Â»Also haben Sie Ihren Beweis«, sagt Frankie. »Jemand anderes hat den Jungen vergewaltigt.«

    Nachdem Fisher mich angerufen hat, um mir die Neuigkeit mitzuteilen, gehe ich schnurstracks ins Badezimmer und erbreche mich. Wieder und wieder, bis ich nichts mehr im Bauch habe außer meiner Schuld. Die Wahrheit ist, ich habe mit meinen eigenen Händen einen Menschen getötet, einen Menschen, der keine Strafe verdient hat. Zu was macht mich das?
    Ich möchte duschen, bis ich mich nicht mehr schmutzig fühle. Ich möchte mir selbst die Haut vom Leibe ziehen. Aber das Entsetzen steckt mitten in mir drin. Ich müßte mir den Bauch aufschneiden und zusehen, wie ich verblute.
    So wie ich ihn in seinem Blut gesehen habe.
    Im Flur gehe ich an Caleb vorbei, der ohnehin nicht mehr mit mir spricht. Wir sind verstummt, und es ist, als würden wir immer weiter voneinander weggetrieben. Im Schlafzimmer streife ich mir die Schuhe von den Füßen und krieche vollständig angezogen unter die Decke. Ich ziehe sie mir über den Kopf, atme in diesem Kokon. Wenn ich ohnmächtig werde und keine Luft mehr da ist, was passiert dann?
    Mir wird nie mehr warm werden. Hier werde ich bleiben, weil von nun an jede meiner Entscheidungen fragwürdig ist. Ich tue besser gar nichts mehr, als noch einmal ein Risiko einzugehen, das die Welt verändern könnte.
    Patrick weiß, daß es den Instinkt gibt, einen Menschen so schwer verletzen zu wollen, wie man von ihm verletzt wurde. Während seiner Zeit als Militärpolizist hat er Festnahmen manchmal so brutal durchgeführt, daß ihm Blut über die Hände rann, das sich anfühlte wie Balsam. Jetzt begreift er, daß die Theorie noch einen Schritt weitergehen kann: Es gibt den Instinkt, einen Menschen so schwer verletzen zu wollen, wie er jemanden verletzt hat, den man liebt. Das ist die einzige Erklärung, die er dafür hat, daß er jetzt in einer 757 sitzt, die auf dem Weg von Dallas-Fort Worth nach New Orleans ist.
    Die Frage ist nicht, was er für Nina tun würde. »Alles«, würde Patrick rundheraus antworten. Sie hatte ihn beschworen, Arthur Gwynne ja nicht auch nur anzurühren, und bis er diese Maschine bestiegen hat, hätte er alles, was er unternommen hat, noch als Ermittlungen bezeichnen können, doch jetzt kann er sich selbst nichts mehr vormachen. Es gibt nur einen Grund für seinen Flug nach Louisiana: dem Mann in die Augen zu sehen.
    Selbst jetzt weiß er nicht, was dann passieren wird. Sein ganzes bisheriges Leben hat er sich von Prinzipien und Regeln leiten lassen – in der Navy, als Cop, als jemand, dessen Liebe nicht erwidert wird. Aber Regeln funktionieren nur, wenn alle sich daran halten. Was passiert, wenn jemand das nicht tut und die Folgen sich ganz unmittelbar auf Patricks Leben auswirken? Was ist stärker – das Bedürfnis, das Gesetz zu hüten, oder das Motiv, es zu brechen?
    Patrick hat mit Entsetzen erkannt, daß der kriminelle Verstand dem rationalen Menschen gar nicht so furchtbar fremd ist. Letztlich kommt es darauf an, wie stark das Verlangen ist. Süchtige sind bereit, für ein paar Gramm Koks ihren Körper zu verkaufen. Brandstifter bringen sich selbst in Gefahr, nur um zu spüren, wie etwas vor ihnen in Flammen aufgeht. Patrick hat immer geglaubt, daß er als Gesetzeshüter frei von

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