Die Macht
der alten Fabrik. Von dort sind es fünf Kilometer bis zur Autobahn und danach noch einmal fünfundfünfzig Kilometer bis zum Krankenhaus. Wenn alles glatt geht, sollten sie es auf der Autobahn in sechsundzwanzig Minuten bis zum Krankenhaus schaffen.«
»Dann müssten sie in vierzig Minuten beim Krankenhaus sein«, warf Irene Kennedy ein.
»Und sie wollen, dass die Bomben abgeworfen werden, kurz nachdem sie zum Krankenhaus kommen?«, fragte der Präsident skeptisch.
»Ja, das war Mitchs Idee.«
»Warum?«
»Das weiß ich nicht, aber er hat gemeint, es wäre ihm am liebsten, wenn die Bomben eine Minute nach ihrer Ankunft zu fallen beginnen.«
Der Präsident verstand nicht, was Rapp mit dieser Taktik bezweckte. Die ganze Operation schien ihm immer komplizierter zu werden. Er ging mit dieser Sache ein viel größeres Risiko ein, als er es jemals beabsichtigt hatte. Wenn Rapp und das Delta-Team scheiterten, war er geliefert. Er hatte ohnehin schon den Skandal rund um Irene Kennedy am Hals; wenn er dann auch noch den Tod von amerikanischen Soldaten zu verantworten hätte, wäre seine politische Laufbahn mit einem Schlag zu Ende.
Irene Kennedy spürte, wie besorgt er war, und sagte mit ehrlicher Zuversicht: »Machen Sie sich keine Sorgen, Sir. Mitch wird es schaffen.«
Der Präsident nickte langsam. »Ich hoffe, Sie haben Recht.«
43
Irak, Montagabend
Die vier Helikopter schnitten durch die kühle Wüstenluft. Ihr Ziel war Scorpion I, die stillgelegte Fabrik für chemische Waffen in der Nähe von Bagdad, die sie jedoch nicht auf direktem Weg anflogen. Die Piloten hatten vielmehr einen bestimmten Kurs in die Navigationssysteme der Chinooks eingegeben, um allen Dörfern, Hauptstraßen und irakischen Radaranlagen aus dem Weg zu gehen. Die Hubschrauber schlichen dreißig Meter über dem Wüstenboden dahin und hielten untereinander höchstens hundert Meter Abstand. Dies bedeutete, dass man sich bei einer Geschwindigkeit von knapp 200 km/h keinen Fehler erlauben durfte.
Rapp versuchte, möglichst nicht an solche Dinge zu denken, während er im Frachtraum des zweiten Chinook saß. Solange sie in der Luft waren, hatte er ohnehin keinen Einfluss auf das, was passierte. Er blickte zu den beiden Schützen auf, die an den Türen postiert waren. Sie standen jeder an einer 7,62-mm-Minigun, mit der man ein Fahrzeug in der Mitte zerreißen konnte. Wenn man sie in der Nacht abfeuerte, sah es aus, als würden diese Waffen Feuer speien. Das Rauschen der Luft, die durch die offenen Türen strömte, war fast so laut wie das Dröhnen der Triebwerke und das Knattern der Rotoren. Der Mercedes verstellte ihm die Sicht auf einen dritten Schützen, der mit seinem M60-Maschinengewehr an der Heckrampe postiert war. Einer der Delta-Männer saß hinter dem Lenkrad des Wagens, um ihn gleich nach der Landung hinauszufahren. Die drei Schützen trugen Nachtsichtbrillen und waren über Funk mit den Piloten und Navigatoren verbunden, um ihnen jederzeit Bescheid geben zu können, wenn sie etwas Auffälliges entdeckten.
Es war kein sanftes Dahingleiten durch die Luft. Die meisten Menschen hätten die ruckartigen Richtungsänderungen und die ständige Querlage höchstens ein paar Minuten ausgehalten, ohne sich zu übergeben – doch Rapp war ebenso wie die Delta-Leute an diese Art zu reisen gewöhnt.
Plötzlich verließ einer der Schützen seinen Posten, ging zu jedem der Männer und hielt fünf Finger hoch. Sie waren also fast da; direkt nach der Landung hatte Rapp vor allem darauf zu achten, dass er den Delta-Jungs nicht im Weg stand, damit sie ungehindert ihre Arbeit machen konnten. Rapp ging in Gedanken noch einmal seine persönliche Checkliste durch. Er stellte sich vor, wie alles ablaufen sollte, sobald sie im Krankenhaus waren. Er wusste genau, was er zu tun hatte, um das Team hineinzubringen – und dabei spielten Waffen überhaupt keine Rolle.
Wenige Minuten später spürte Rapp, dass der Hubschrauber langsamer wurde. Sie waren also nahe am Ziel. Plötzlich ging die Maschine noch einmal in eine extreme Querlage und ließ sich schließlich mit dem Heck zu Boden sinken. Das jähe Manöver beunruhigte Rapp kein bisschen. Er konnte nicht aus dem Fenster sehen, doch er wusste auch so, was vor sich ging. Sie hatten das alles vorher im Briefing besprochen. Das STS-Team der Air Force hatte den Parkplatz der Fabrik als Landeplatz vorbereitet und vier Infrarot-Stroboskoplichter aufgestellt, die vom menschlichen Auge nicht wahrgenommen werden
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