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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Wirkung auf sie ausübte.
    Sie räusperte sich. »Hat er Euch auch erzählt, dass er ein großes Haus plant, mit der vornehmsten Druckanstalt in ganz Europa?«
    Sarpi bejahte vergnügt. »Ich glaube, das erzählt er jedem. Und dass er eine Druckerdynastie gründen will, mit seinem Sohn und später seinem Enkel.« Ernster fügte er hinzu: »Manuzio ist der Mann, es zu schaffen.«
    »Was macht Euch dessen so sicher?«
    »Der Mensch muss Visionen haben und glauben, dass sie sich erfüllen. Und er hat welche.«
    Sanchia schwieg.
    »Langweile ich Euch?«, fragte Sarpi besorgt.
    »Nicht doch«, sagte sie rasch. Nachdenklich meinte sie dann: »Ich dachte nur gerade über Visionen nach. So wie heute schon einmal, ein merkwürdiger Zufall.«
    »Habt Ihr denn welche? Visionen, meine ich.«
    Sie zuckte die Achseln. »Ihr lacht mich aus, wenn ich darüber spreche.«
    »Nichts, was Ihr je sagt, könnte ich lächerlich finden.«
    »Nun, ich träume davon … aber bitte, behaltet es für Euch!«
    »Mein Mund ist versiegelt.« Wie zum Beweis presste er eine Hand davor und quetschte versuchshalber ein paar Worte heraus, die völlig unverständlich waren.
    Sanchia musste darüber so laut lachen, dass sich einige Passanten nach ihr umdrehten. Eine der Frauen, hochschwanger und gebückt unter der Last eines Wassertroges, lachte herzhaft mit. »Wie schön, Euch so guter Dinge zu sehen, Monna Sanchia!«
    Sanchia wandte sich belustigt zu ihr um. »Wenn Ihr weiter so schleppt, kommt es noch hier auf der Straße. Ich sagte gestern zu Euch: Steigt Treppen! Nicht: Schleppt Tröge.«
    »Vom Treppensteigen wird die Arbeit nicht weniger.«
    »Übertreibt es nicht, sonst seid Ihr nach der Geburt ein erschöpftes Wrack!«
    Im Weitergehen meinte Sanchia zu Sarpi: »Es ist ihr Erstes. Sie ist seit zwei Wochen über der Zeit und wird unruhig.«
    Er wandte sich ihr interessiert zu. »Welche Methoden benutzt Ihr, um den genauen Zeitpunkt der Empfängnis auszurechnen?« Als Sanchia zu einer Erklärung ansetzen wollte, hob er die Hand. »Nein, wartet. Zuerst erzählt Ihr mir von Euren Visionen.«
    »Ich möchte ein Haus einrichten, in dem sich Frauen einfinden können.« Sie begann nur zögernd. »Mädchen im lernfähigen Alter. Frauen, die schwanger sind. Vor allem Frauen, die arm sind oder vom Schicksal geschlagen.«
    »Ihr möchtet diesen Frauen helfen? Aber das tut Ihr doch schon! Wisst Ihr, wie man Euch hier in Castello und im Arsenal nennt? Den Engel der Armen! Keine Hebamme holt so viele Kinder lebend auf die Welt wie Ihr! Und nebenher verbindet Ihr Wunden, richtet Knochen, behandelt Geschwüre, Siechtum und Fieber, als wärt Ihr nicht erst zwanzig Jahre, sondern dreimal so alt!«
    »Einundzwanzig«, verbesserte Sanchia errötend. »Ich möchte in diesem Haus, von dem ich träume, die Frauen nicht nur behandeln und ihnen Verhaltensweisen für ein gesundes Leben mit auf den Weg geben. Es sollen auch und vor allem gesunde Frauen kommen. Ich möchte, dass sie lesen und schreiben lernen. Es soll eine Schule sein. Ich will dort Bücher ansammeln, nur für die Frauen.«
    Sarpi runzelte die Stirn. »Das ist ein ehrenwerter Gedanke, aber seid Ihr damit nicht ein wenig zu idealistisch?«    
    Unbestimmter Ärger erfüllte sie. »Wenn Ihr mir jetzt mit dem Einwand kommt, Frauen sei eine mindere Denkfähigkeit angeboren, müssen wir nicht weiter drüber reden!«
    »Das meinte ich keineswegs«, versetzte er ruhig. »Nur, was bewirkt Ihr damit, wenn diese armen Frauen lesen können? Als wie ungerecht und drückend müssen sie ihr Los empfinden, wenn sie erst einen Blick auf eine andere, bessere Welt erhascht haben? Auf die Welt der Wörter, diese elegante, weite, verheißungsvolle Landschaft, die zwischen den Deckeln eines Buches beginnt und sich in der Unendlichkeit der Fantasie verliert? Wer will danach noch Tröge schleppen, unter Schmerzen und in Armut Kinder gebären, Schläge ertragen und Hunger leiden? Erhöht Ihr mit dieser Gabe nicht die Erbärmlichkeit des Lebens dieser Frauen? Bedeutet Wissen denn für sie nicht eher Ohnmacht statt Macht?«
    Mit dieser Argumentation brachte er Sanchia nachhaltig zum Verstummen. Grübelnd ging sie weiter neben ihm her, sich einerseits seiner männlichen Gegenwart so stark bewusst, als läge seine Hand immer noch auf ihrem Arm, so wie vorhin, kräftig und zuverlässig, und andererseits in Gedanken damit beschäftigt, seine Worte von allen Seiten zu betrachten, zu ergründen und abzuwägen.
    »Wir sind da«, sagte

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