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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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andere an, etwa die Tatsache, dass Agostino nicht ehelich geboren war. Es sei denn, Eleonora wollte hier gleich gewisse Fronten klären und dafür Vorsorge treffen, dass Sarpi an dem Makel von Agostinos Herkunft keinen Anstoß nahm.
    Der junge Arzt reagierte wie erwartet mit entsetzter Betroffenheit. »Niemals würde ich mich erdreisten, Euch mit Verachtung gegenüberzutreten!«, versicherte er. »Wer so agiert, ist engstirnig! Euch trifft doch gar keine Schuld! Es war das Drama Eures damaligen Standes und die Langsamkeit der Kirchenoberen!«
    Eleonora nickte mit leuchtenden Augen. »Dass Ihr das so sehen könnt! Wie verständig und freigeistig Ihr seid, wie gebildet und einsichtsvoll! Ein klar denkender Wissenschaftler vom Scheitel bis zur Sohle!«
    Sanchia schaute aus den Augenwinkeln zu Sarpi, ob er diese Lobeshymne als zu dick aufgetragen empfand, doch das schien nicht der Fall zu sein. Er wuchs auf seinem Schemel um mindestens eine Handbreit, und in seine Ohren war eine alberne Röte gestiegen. Er starrte Eleonoras rosige, fleischige, Essensdünste verbreitende Erscheinung an wie einen vom Himmel herabgestiegenen Engel.
    »Nach meinem Ausscheiden aus dem Kloster wurde mir übrigens vom Patriarchen doch noch der beantragte Dispens erteilt«, teilte Eleonora scheinbar bekümmert mit. »Aber da war es natürlich schon zu spät. Wer will mich denn jetzt noch?« Niedergeschlagen senkte sie den Kopf und lugte vorsichtig durch die Wimpern zum Tisch.
    »Vielleicht jemand, der gerne jeden Tag gut isst«, sagte Sanchia. Während ihre Blicke zwischen den beiden hin und her wanderten und sie dabei zur Kenntnis nehmen musste, dass die Funken nur so sprühten, fragte sie sich missmutig, ob sich hier eine Art Rache für die Vergangenheit anbahnte.
    Kaum fand sie nach dieser langen Zeit wieder einen Mann anziehend, steckte Eleonora ihr vor der Nase ihre eigenen Jagdgründe ab. War das der Ausgleich dafür, dass sie selbst sich vor vielen Jahren zur Herrin über die Tauben aufgeschwungen und sich damit zwischen Eleonora und ihren großen Schwarm Lorenzo gestellt hatte?
    Einen Augenblick lang erwog Sanchia tatsächlich ernsthaft diese absurde Theorie, nur um sie sofort zu verwerfen. Wie dämlich konnte sie sein, Eleonora dergleichen auch nur für einen Moment zu unterstellen? Eleonoras Benehmen war völlig normal. Sie war eine junge Frau, die seit langem allein war, und Sarpi war ein vielversprechender Aspirant, diesem Zustand abzuhelfen.
    Sarpi war der richtige Mann zur richtigen Zeit, jung, attraktiv und gut genug gestellt, um Eleonoras Interesse zu wecken. Es hätte auch der um Witze nie verlegene Tuchhändler sein können, bei dem sie in der vergangenen Woche Stoff für einen Wintermantel gekauft hatte – wäre der nicht trotz eines vergleichsweise jugendlichen Alters mit schwarzen Zahnstummeln geschlagen. Oder der charmante Steinmetz, dem Eleonora bei einem Marktbummel am Rialto aufgefallen war – hätte der nicht, wie bald herauszufinden war, schon drei Ehefrauen überlebt und nebenher acht Kinder zu versorgen.
    Jetzt war es Sarpi, und bei dem schien alles zu stimmen. Er hatte einen soliden Beruf, gute Zähne und weder Frau noch Kinder. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis der passende Kandidat auftauchte.
    Kein Mensch konnte davon ausgehen, dass eine Frau wie Eleonora lange von der Männerwelt unbemerkt blieb. Sie war nicht dafür geschaffen, allein durchs Leben zu gehen, und sie wusste es. Es war ihr gutes Recht, für sich einen Mann und für ihren Sohn einen Vater zu suchen.
    Pasquale hatte sich weder sehen noch von sich hören lassen, trotz der vielen Botschaften, die sie auf der Rückreise von Florenz nach Venedig in allen Dörfern und Städten, in denen sie vorbeigekommen waren, für ihn hinterlassen hatten. Es war fraglich, ob er überhaupt noch lebte.
    »Willst du nichts essen, Sanchia? Hast du keinen Hunger?«
    »Bitte? Ich … Oh, doch, natürlich. Essen kann nicht schaden. Nicht, wenn du es gekocht hast.«
    Eleonora hatte die kleine Stärkung aufgetragen, eine raffinierte Komposition aus Rührei mit Wurststückchen, knusprigem Brotfladen, kurz gedünstetem Kürbis, in Honig karamellisierter und kross gebratener Hühnerbrust sowie in zarte Scheiben geschnittenen Schinken. Dazu gab es den besten Wein, den sie im Keller hatten. Wie auf ein geheimes Kommando erschienen auch Immaculata und kurz nach ihr Cornelia, die Amme, die auf wundersame Weise von ihrer Migräne genesen war. Schweigend ließen sie sich

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