Die Mächte des Feuers
möglich von ihnen erwischen.« Sie legte eine Hand an den Säbelgriff und schaute in die Wolken über dem Meer.
»Finden Sie es nicht merkwürdig, dass sie einen offenen Angriff unternehmen, obwohl sie genau wissen, dass die Glocke sie töten kann?« Arsenie hatte das Fernglas wieder an die Augen gesetzt. »Es ist doch reiner Selbstmord.«
»Ich halte es für ein Ablenkungsmanöver. Aus irgendeinem Grund wollen sie, dass wir denken, sie würden angreifen, Madame. Und ich…« Sie hielt inne, weil sie sah, dass einer der Gargoyles plötzlich neben ihr auftauchte. Das Wesen war groß wie ein irischer Wolfshund, hatte jedoch den Körper einer Katze, drei hundeähnliche Köpfe und einen gezackten Schwanz; anstelle von Pfoten besaß es lange, handähnliche Klauen. Die braun leuchtenden Augen wanderten zwischen ihr und Arsenie hin und her. »Verschwinde zum Tor«, gab sie Anweisung und deutete zum Fuß des Berges.
Der Gargoyle duckte sich und knurrte – in Richtung der Französin.
Arsenie bemerkte das Wesen jetzt erst, setzte das Glas ab und schaute es an. »Was gibt es, kleiner Zerberus? Du magst wohl mein Parfüm nicht.«
Silena ging auf den Gargoyle zu. »Benimm dich, oder ich sage es Cyrano. Er wird sich eine Strafe für dich ausdenken.« Sie eilte in die Kathedrale und befahl den Männern an den Glockenseilen, die Stimme des Engels schweigen zu lassen. Dann begab sie sich an ein Fenster, nahm ihr Fernglas und spähte hinaus aufs Meer.
Und tatsächlich erkannte sie vier geflügelte Drachen, zwei weiße, einen grünen und einen braunen, die knapp unterhalb der Wolkendecke segelten und sich für einen Angriff bereit machten. Es waren alles Einender und der Größe von geschätzten sieben Metern nach junge Exemplare. Folglich zog es Eris vor, sich selbst nicht in Gefahr zu bringen. Er sandte seine Verbündeten an die Front. Silena hielt es für einen Test. Sie war sich sicher, dass noch mehr der geflügelten Teufel in den Wolken lauerten und zusahen, wie es den vier bei ihrer Attacke auf den Mont erging.
Die Drachen flogen aufgereiht wie an einer Schnur, dann stieß einer einen Schrei aus und sie flogen parallel nebeneinander, beschrieben einer Kurve und gingen in den Sturzflug über, um maximale Geschwindigkeit zu erreichen.
»Bereit machen!«, rief Silena nach unten, ohne die Augen von den heranschießenden Drachen zu wenden.
Vierhundert Meter.
Die Drachen flogen knapp über die aufgepeitschte See, ihre Schwingen berührten die Wellenkämme und schlugen hohe Gischtfontänen. Die sich auf dem Wasser spiegelnden Blitze erzeugten den Eindruck, als entstünden Energiebahnen zwischen der Unterseite der geschuppten Leiber und dem Meer.
Dreihundert Meter.
Wieder erklang ein Schrei, und Silena erkannte, dass sie gleich auseinander fächern würden, um den Berg aus verschiedenen Richtungen anzugreifen.
Zweihundert Meter.
»Jetzt!«, schrie sie. Sie hörte, wie das Seil, das hinter ihr senkrecht nach oben lief, knirschte und sich spannte, es sich zuerst nur langsam, dann immer stärker bewegte. Es dauerte, bis die schwere Glocke genügend Schwung bekommen hatte und Kontakt mit dem Klöppel hatte.
Einhundert Meter.
Noch schwieg die Glocke, während drei der Teufel aus ihrem Blickfeld verschwunden waren. Der braune Drache zog nach oben und hielt genau auf die Kathedrale zu.
Fünfzig Meter.
»Verdammt!« Silena sprang und griff mit beiden Händen nach dem Seil, zog es mit ihrem Gewicht nach unten – und der Engel sprach mit seiner tiefen, erschütternden Stimme.
Silena schaute hinaus, um zu sehen, was mit dem Angreifer vor dem Fenster geschah.
Der Drache hatte sich bis auf zehn Meter angenähert, riss sein gewaltiges Maul auf und stand im Begriff, sein Feuer in den Turm zu speien, als ihn der Klang der Glocke traf. Es sah aus, als sei er gegen ein unsichtbares Hindernis geprallt. Der mächtige Leib zuckte und krampfte, mit viel zu hektischen Schwingenschlägen versuchte er, in die Luft zu entkommen. Silena erkannte schwarzes Blut, das ihm aus den Augen, den Ohren und dem Maul schwappte. Sämtliche inneren Gefäße mussten geplatzt sein.
Mit dem nächsten Glockenschlag explodierte der Schädel in einer Blutwolke, Spritzer flogen bis zum Turm; der Drachenkadaver stürzte ins Meer, wo er von den Fluten verschlungen wurde.
Etwas Schweres prallte gegen die Decke der Kathedrale, eine immense Erschütterung lief durch den Turm. Dreck und Staub rieselten auf Silena herab, und sie rannte nach unten. »Läutet
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