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Die Mächte des Feuers

Die Mächte des Feuers

Titel: Die Mächte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Kaminöffnung, leckte über die Einrichtung und steckte die leichteren Stoffe in Brand, bis er versiegte.
    Sie robbte auf allen vieren zur Tür hinaus, hustete und keuchte, spuckte Rußpartikel aus und entkam dem sich ausbreitenden Brand.
    »Feuer«, schrie sie warnend und klopfte gegen alle Türen, an denen sie vorbeikam, bis sie endlich das Treppenhaus erreicht hatte.
    Sie hatte Glück gehabt. Außer dem gestauchten Knie, einigen Abschürfungen und leichten Verbrennungen war sie gut davongekommen. Es würde ausreichen, um in die Saint zu steigen und dem verdammten Monstrum eine Lanze in den Hintern zu bohren.
    Silena öffnete die Tür – und starrte auf die kokelnden Überreste dessen, was einst der Phänomen gewesen war.
    Hinter dem Steuer saß ein verbranntes Skelett, das in Teilen erhalten geblieben war. Der Kopf und die Verdeckaufbauten des Wagens fehlten.
    »Nein, verflucht.« Sie betrachtete vorsichtig den Himmel, ob sich der Drache nochmals zeigte, aber sie entdeckte nichts.
    Dichter Rauch zog an ihr vorbei, Menschen schoben sie einfach zur Seite und rannten auf die Straße, um sich vor dem ausbreitenden Feuer in Sicherheit zu bringen. Das Weinen von erschrockenen Kindern mischte sich unter Fußgetrappel, das Rufen von Erwachsenen und dem leisen Knistern der Flammen.
    Silena wandte sich um, stemmte sich dem Strom der Flüchtenden entgegen und eilte durch den Gang zur Rückseite des Gebäudes. Sie musste herausfinden, was der Drache im Hinterhof gewollt hatte. Zufälle gab es bei diesen Monstern nicht.

V.
     
    »Es liegt auf der Hand: Das Officium arbeitet in ganz Europa und besteht auf seinem Monopol. Es sind Ausbeuter, Unterdr ü cker im falschen Glorienschein, nichts Besseres als ärgste Kap i talisten. Bei diesem Potenzial an Kämpferinnen und Kämpfern sollten sie die Drachen schon längst ausgerottet haben – aber nein: Immer wieder tauchen neue auf. Ich werde den Beweis e r bringen, dass sie die Biester selbst züchten.«
     
    Alexander Lenin aus dem Bericht ›Das Officium – Die heimliche Macht‹
     
    In ›Kommunistische Wahrheit‹ vom 6. September 1924

16. Januar 1925, Hauptstadt London, Königreich Großbritannien
     
    Silena öffnete das Fenster und stieg hindurch auf den Hinterhof. Auch hier galt ihr erster Blick dem Himmel und den Dächern, aber der Drache blieb unsichtbar. Ebenso war der geheimnisvolle Mann am Fenster verschwunden.
    Rein von den Umrissen her hätte es der russische Spiritist sein können, Zadornov, der sie gebeten hatte, ihn zu töten. Aber sie verwarf diesen Einfall rasch. Es wäre ihm niemals möglich gewesen, so schnell nach London zu gelangen und sich an ihre Fersen zu heften. Weit mehr beunruhigte sie, dass das fünfköpfige Scheusal Zadornovs Beschreibungen bis in die letzte Schuppe glich.
    Silena untersuchte den Hinterhof und erkannte am Haus gegenüber im ersten Stockwerk die Spuren von Drachenwirken: Die armdicken Gitterstäbe vor einem Fenster waren auseinander gerissen und zur Seite gebogen, die Scheibe dahinter eingeschlagen.
    »Seit wann sind Drachen gewöhnliche Einbrecher?«, murmelte sie und überquerte den Hof.
    Als sie die Strecke zur Hälfte zurückgelegt hatte, öffnete sich eine Tür, und ein kleiner, dicker Mann in einem karierten Morgenmantel und braunen, abgewetzten Puschen trat hinaus. Das dünne, schwarzgraue Haar stand nach allen Richtungen ab. In der Hand hielt er eine Taschenlampe; er schaltete sie ein und richtete den blendenden Strahl gegen Silena.
    »Weg von meinem Laden, Gesindel!«, brüllte er sie an. »Mögen eure Wohnungen brennen, so gibt es euch dennoch nicht die Erlaubnis, einfach so…« Er verstummte, der Strahl wanderte auf ihr hin und her.
    »Verzeihung«, sagte er kleinlaut und schaltete die Lampe aus. »Ich habe nicht gesehen, dass Sie eine Drachentöterin sind … Großmeisterin. Sind Sie verletzt?«
    »Nichts Schlimmes. Sie wissen, was Ihnen diesen Schaden verursacht hat?«, erkundigte sie sich und ging über die Unhöflichkeit weg.
    Er kratzte sich am Kopf. »Einer von diesen Schweinen, die sonst auch versuchen, in mein Geschäft einzusteigen. Aber dieses Mal«, er schaltete die Lampe ein und beleuchtete den Schaden. »Good heavens! Das erklärt den Lärm, der mich geweckt hat.«
    Silena sah über die Schulter zum Haus, in dem die Feuerwehr gerade mit den Löscharbeiten anfing und die letzten Bewohner der oberen Stockwerke die Treppe nach unten und auf die Straße scheuchte. Sie konnte genau durch die Scheiben verfolgen,

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