Die Mächte des Feuers
im richtigen Alter, um sie zu heiraten –, aber er blieb nun einmal ein Mann. Weil sie sich vollkommen verunsichert fühlte, tat sie unbeteiligt. »Wie verbleiben wir also, Mister Mandrake?«
Mandrake goss sich Tee nach. »Ich wollte Sie bitten, dass Sie diese Nummer anrufen, sobald Sie herausfinden, wo sich Zadornov und Skelton aufhalten. Der SIS würde sich glücklich schätzen, von Ihnen Nachricht zu erhalten und gemeinsam gegen die Umstürzler vorzugehen. Sollten Sie sie treffen und mit ihnen reden, glauben Sie ihnen kein Wort. Dieser Russe ist zwar höllisch gescheit, doch leider verwirrt und brandgefährlich. Es gibt Geschichten aus seiner Heimatstadt Sankt Petersburg, die ich Ihnen nicht erzählen kann, da Sie trotz Ihres Amtes immer noch eine Frau sind.« Er lächelte. »Eine aparte Frau, wenn ich mir ein Kompliment erlauben darf.« Jetzt spürte Silena, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. »Demnach tat er was, Mister Mandrake? Ich ertrage einiges.«
»Nein, Großmeisterin. Das ist nichts für Ihre Ohren. Frauengeschichten, Ehrenduelle mit grausamem Verlauf und noch grausamerem Ausgang. Nur einer der vielen Gründe, weswegen Zadornov nicht mehr nach Russland zurückkehren kann und sich im restlichen Europa wie ein Vagabund herumtreibt. Reiche Bojaren haben ihm Attentäter auf den Hals gehetzt.« Mandrake trank seine Tasse leer und packte die Bilder ein. »Skeltons Tarnung dagegen ist perfekt: eine graue, unauffällige Versicherungsmaus, aber hinter der Fassade lauern Abgründe, Großmeisterin. Auch er ist gewaltbereit und zu allem fähig.« Er notierte eine Nummer auf ein Blatt, riss es vom Block und reichte es ihr. »Vergessen Sie nicht, mich anzurufen«, erinnerte er sie ernst, dann schauten seine Augen freundlicher. »Auch wenn sich die beiden nicht mehr bei Ihnen zeigen, freue ich mich, von Ihnen zu hören. Ich würde gern mehr von Ihnen erfahren, Großmeisterin.« Er schloss den Koffer und erhob sich. »Unsere Leben sind ähnlich außergewöhnlich, wir hätten sicherlich einiges an Geschichten zu erzählen. Sofern das Empire nicht durch Indiskretionen in Misskredit gerät, versteht sich.«
Und bevor sie ihre Zunge zurückhalten konnte, sagte sie: »Vielen Dank. Ich werde mich bestimmt melden, sobald es etwas ruhiger in unser beider Leben geworden ist.« Sie streckte entgegen ihrer Gewohnheit ihre Hand aus, um sich zu verabschieden. Um die Hand und die Haut des Mannes zu berühren.
Er tat ihr den Gefallen und schlug ein: sanft und fest, geschmeidig und warm, weder rau noch schwitzig. »Es war mir ein Vergnügen, Großmeisterin«, sagte er lächelnd, ließ sie los und setzte den Hut auf. »Es wäre doch großartig, wenn wir beide zusammenkämen, oder?«
»Wie bitte?«, stotterte sie überrumpelt.
»Ich meinte im Kampf gegen die Drachenfreunde«, präzisierte er rasch, da er sah, dass er sie in Verlegenheit gebracht hatte. Dann wandte er sich zum Ausgang. »Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten, Großmeisterin. Verzeihen Sie mir die Unüberlegtheit.«
»Schon vergessen, Mister Mandrake«, antwortete sie und wünschte sich dennoch, dass genau das bei Gelegenheit geschah. Ein Geheimagent und eine Drachentöterin ergaben ein schlagkräftiges und außergewöhnliches Gespann, das stand fest. »Sie hören von mir.« Sie blieb auf der Schwelle stehen, während er die Gangway hinab kletterte und den Regenschirm aufspannte, sobald er unter der Theben hervor in den Regen trat; zwei Soldaten flankierten ihn und begleiteten ihn zurück zu seinem Automobil.
Silena sah ihm hinterher, und als er einstieg, sich zum Luftschiff drehte und winkte, hob sie den Arm und erwiderte unbewusst den Gruß. Die Soldaten am Wagen starrten sie verwundert an.
Sie ahnte, dass diese harmlose Geste Gerede nach sich ziehen würde, weil es sich bei ihr um eine erstmalige, unglaubliche Gunstbezeigung handelte.
Dann grinste sie. Warum auch nicht? Der Erzbischof selbst hatte sie gedrängt, Männerbekanntschaften zu machen.
17. Januar 1925, Hauptstadt London, Königreich Großbritannien
Silena eilte die schmale Gasse entlang, die vor ihr aus dem Nebel erschien und hinter ihr in den grauen Schwaden versank, als gäbe es weder sie noch den Rest von London.
Vor ihr rannte ein Constable, der sie auf Anweisung seines Vorgesetzten zum Tatort führte, welcher entgegen ihrer Vermutung nicht in Whitechapel lag, sondern in East End, dem Einwanderer- und Arbeiterviertel der Hauptstadt.
Die Gerüche, die ihr unterwegs in die Nase
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