Die Mädchen (German Edition)
setzen Sie
sich doch.“
Sie setzte sich ihm gegenüber auf
einen der beiden Sessel und seufzte. „Vielleicht ist es ganz gut, dass ich Sie
antreffe, mit Ihrer Frau hatte ich das letzte Mal nicht so viel Glück.“
Er zog überrascht die Luft ein.
„Das letzte Mal?“
Sie machte eine wegwerfende Geste
mit der linken Hand. „Nicht wichtig. Ich hatte ein Gespräch mit meiner Tochter
und wir haben lange überlegt, was wir machen sollen.“
Sie machte eine Pause und sah ihn
an. „Mir schien es nur fair, mit Ihnen und Ihrer Frau zu sprechen und Ihnen zu
überlassen, das Richtige zu tun.“
Er zog fragend die Augenbrauen
hoch. Das Richtige? Wovon redete die Frau? Was wusste sie von seiner Tochter?
„Vielleicht sagen Sie mir einfach,
worum es geht.“
„Ihre Tochter hat vor ein paar
Monaten meiner Tochter einen Vorschlag gemacht. Es ging darum, dass sie ihr
Taschengeld erheblich aufbessern könnte.“
Simon horchte auf. Sollte er jetzt
erfahren, woher Merle das viele Geld hatte? „Und worum ging es?“
„Das hat Merle meiner Tochter
zunächst nicht gesagt. Aber Sie kennen ja Teenager. Mit der Aussicht auf mehr
Geld für Jeans oder Schuhe brauchte Merle nicht viel Überredungskunst. Sie hat
Jackie zu einer Wohnung mitgenommen und ihr dort gezeigt, was sie für das Geld
tun sollte.“
Simon wurde es mulmig zumute.
Wurden seine Befürchtungen bestätigt? Frau Tarnats Miene war ernst.
„Ihre Tochter arbeitet
für eine Internetseite, wenn man das arbeiten nennen kann. In dem Zimmer ist
eine Webcam installiert und Männer können sich gegen Bezahlung über das
Internet einloggen und ihr sagen, was sie machen soll.“
Oh mein Gott! Simon stellte den
Becher ab. „Sind Sie sicher?“
„Absolut. Meine Tochter
hat mir das Zimmer bis ins kleinste Detail beschrieben und mir auch gesagt, wo
sich die Wohnung befindet. Sie hat nur kurz zugeguckt und ist dann abgehauen.
Gott sei Dank, kann ich nur sagen.“
Simons Herz schlug bis
zum Hals. Die Vorstellung, dass geifernde Männer vor dem Bildschirm seiner
unbekleideten Tochter sagten, wo sie sich berühren sollte, brannte sich in
seinem Gedächtnis fest. Ihm wurde schlecht. Auf einmal war ihm klar, warum
Merle verschwunden war. Nach seiner Ankündigung, mit ihr reden zu wollen, hatte
sie vermutet, dass er von der Website erfahren hatte. Aber warum war sie so
bald wieder aufgetaucht?
„Hat Ihre Tochter Ihnen
gesagt, wer dafür verantwortlich ist?“ Es war ja wohl kaum denkbar, dass Merle
selbst diese Seite installiert hatte.
Frau Tarnat schüttelte
den Kopf. „Nein, sie hat keine Ahnung, wer dahinter steckt.“
„Warum hat Merle Ihre
Tochter mitgenommen?“
Frau Tarnat zuckte mit
den Achseln. „Vielleicht hat sie den Auftrag bekommen, neue Gesichter zu
finden. Ich weiß es nicht. Aber Jackie hat eine Zahnspange und offenbar ist das
ein zusätzlicher Reiz für die Männer, weil es das Mädchen noch jünger
erscheinen lässt.“
Widerlich. „Warum hat
Ihre Tochter Ihnen nicht früher davon erzählt?“ Er hätte schon vor Monaten
verhindern können, dass Merle sich solchen Perversen zur Schau stellt, wenn das
Mädchen nicht den Mund gehalten hätte.
Frau Tarnat sah ihn
eindringlich an. „Also, es war Ihrer Tochter wohl sehr wichtig, dass Jackie
alles, was sie gesehen hat, für sich behielt.“
Er verstand sofort. „Sie
hat ihr gedroht?“
„Ja.
Und sie hat ihre Drohung auch unmissverständlich gemacht. Sie hat dafür
gesorgt, dass einer von Jackies Notizzetteln aus den Unterrichtsstunden in
ihrem Deutschaufsatz auftauchte. Daraufhin hat Jackie von Frau Sonntag wegen
Täuschungsversuchs eine Sechs bekommen.“
Es
war ungeheuerlich, aber noch während er dem Instinkt nachging, das eigene Kind
beschützen zu wollen, war ihm klar, dass Merle genau das getan hatte. „Und Sie
wissen sicher, dass es sich so abgespielt hatte?“
„Ihre
Tochter selbst hat Jackie gesagt, dass sie dafür verantwortlich war und das als
kleine Warnung auffassen sollte, falls sie nicht ihren Mund hielt. Jackie hat
keine Ahnung, wie sie das bewerkstelligen konnte, aber sie hat keinen Zweifel
daran, dass Merle die Wahrheit gesagt hat.“
Was
hatte er da nur für einen kleinen Teufel unter seinem Dach? „Warum kommen Sie
zu mir und gehen nicht sofort zur Polizei?“
Die
Frau nickte langsam. „Verstehen Sie mich nicht falsch. Falls Sie das Ganze
nicht beenden und die Drahtzieher zur Rechenschaft ziehen, werde ich das tun.
Solchen kranken Menschen muss das Handwerk gelegt
Weitere Kostenlose Bücher