Die Mädchen (German Edition)
bei ihnen an.
„Glen.“
„Am Sonntag?“
Funke gab seiner Frau mit den Augen
ein Zeichen, das Thema zu wechseln, aber der Schaden war schon angerichtet.
„Gibt es etwas Neues in dem
Mädchenfall?“ Vicky. Wer sonst? Ihr Ton klang beiläufig, sogar etwas
desinteressiert, aber das war sorgfältig einstudiert. Funke wusste, dass seine
Tochter auf Details brannte, doch die würde er ihr bestimmt nicht geben. Er
glaubte nicht, dass es ihr gut tat, sich mit dem Opfer zu identifizieren.
„Nein.“
„Ich hab gelesen, dass sie nackt
war. Ist sie vergewaltigt worden?“
Maggie stellte hörbar ihr Glas ab.
„Vicky. Lass gut sein. Ich glaube nicht, dass das richtige Thema bei Tisch
ist.“
Sie hatte Recht. Vor allen Dingen
nicht in Gegenwart ihrer kleinen Schwester.
„Wir haben in der Schule darüber
gesprochen“, meldete die sich prompt zu Wort.
„Worüber?“ Maggie hatte die Gabel
mit ein paar Bohnen darauf zum Mund geführt und hielt in ihrer Bewegung inne.
„Über das tote Mädchen.“
War das ihr Ernst? „Im Unterricht?“
„Nein. In der Pause. Franzis Cousine
ist die Nachbarin von dieser Sina.“
Na großartig. Da konnte man noch so
vorsichtig sein, aber wirklich beschützen vor schlimmen Nachrichten konnte man
seine Kinder nicht. Er sah Maggies entgeisterte Miene und zog nur die
Augenbrauen hoch.
„Und? Was hat Franzi erzählt?“
fragte er.
„Nicht viel. Nur dass ihre Cousine
diese Sina kennt. Und dass sie tot auf dem Friedhof lag. Sie hat mich gefragt,
ob ich nicht von dir mehr herauskriegen kann.“
„Das fehlt auch noch. Das kannst du
dir abschminken.“
„Hab ich ihr auch gesagt.“
Funke musste sich ein Grinsen
verkneifen, wie unbeeindruckt Helen zu sein schien. In aller Seelenruhe mampfte
sie vor sich hin. Er wechselte einen Blick mit Maggie, die ebenfalls wieder beruhigt
schien.
„Du warst mit Torben unterwegs?“
fragte er Kevin, das Thema in andere Bahnen lenkend.
„Ja. War ne große Party bei einem
Studienkollegen von ihm.“
„Wie gefällt es ihm denn in
Hamburg?“
Kevin bedachte ihn mit einem
nachdenklichen Blick. „Hat Glen dich deshalb angerufen?“
Scheiße. Hatte er jetzt etwas
verbockt? „Nein, nein“, beeilte er sich zu versichern.
„Na ja. Falls doch, kannst du ihm
sagen, dass Torben darüber hinweg ist.“
Super! Jetzt würde Kevin seinem
Freund erzählen, dass Glen ihn vorgeschickt hatte, um etwas über ihn zu
erfahren. Das hatte er echt gut hinbekommen. Vielleicht sollte er die
Konversation anderen überlassen.
Wie aufs Stichwort, sah Vicky, die
soeben eine Scheibe Fleisch seziert und das Fett beiseite gelegt hatte, von
ihrem Teller auf. „Was hat Torben denn mit deinem Kollegen zu tun?“
Funke erntete einen genervten Blick
seinen Sohnes, den er eigentlich nicht verdient hatte, fand er. Die Verbindung
zwischen Torben und Glen hatte Kevin selbst aufs Tablett gebracht. Und wenn es
so ein großes Geheimnis bleiben sollte, dass Torben schwul war, dann musste er
eben aufpassen, was er sagte.
„Weiß ich auch nicht genau“, sagte
er achselzuckend. „Wollte Torben nicht mal zur Polizei und hat ihn deshalb um
Rat gefragt?“
Keine tolle Ausrede, aber ihm war
nichts Besseres eingefallen.
„Ja“, sagte Kevin nur und
glücklicherweise schien das Thema für Vicky damit auch erledigt.
„Glen wollte mir nur sagen, dass
Romans Frau im Krankenhaus liegt.“
Maggie ließ die Gabel in den Teller
sinken. „Oh Gott, was Schlimmes?“
Er erzählte ihr, was er von seinem
jungen Kollegen erfahren hatte und sie atmete auf.
„Ein Glück. Aber das muss ja für
Roman richtig furchtbar gewesen sein.“
Es war peinlich, aber er konnte
nichts dagegen tun, dass ihr Mitgefühl ihm einen leichten Stich versetzte.
Albern, wenn man bedachte, dass die Beziehung zwischen Maggie und Roman vor
über zwanzig Jahren ihr Ende gefunden hatte. Er wusste, dass seine Frau ihn
liebte und nichts als Freundschaft für Roman empfand und doch war er gegen
diese Eifersucht machtlos.
„Es geht ihr ja wieder gut.“
Maggie nahm ihr Essen wieder auf.
„Woher weiß Glen das überhaupt? Von Doreen?“
Das hatte er sich auch schon
gefragt. „Wie ich verstanden habe, hat Roman ihn wohl gebeten, ins Krankenhaus
zu kommen.“
Maggie kaute nachdenklich auf einem
Stück Fleisch herum. „Ich wusste gar nicht, dass die beiden befreundet sind.
Ich dachte immer, Roman hätte so seine Schwierigkeiten mit Glen.“
Sie meinte natürlich, dass er
Probleme mit Glens Homosexualität hatte,
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