Die Mädchen (German Edition)
werden.“ Sie sagte das ganz
ohne drohenden Unterton, es war mehr wie eine Feststellung und Simon glaubte
ihr aufs Wort. „Aber ich hab mich in Ihre Lage versetzt. Es ist Ihre Tochter,
die sich im Netz präsentiert, nicht meine, dem Himmel sei Dank. Ich habe keine
Vorstellung, wie diskret die Polizei mit solchen Ermittlungen umgeht und ich
möchte mir nicht vorwerfen lassen, dass ich Ihre Tochter der Öffentlichkeit
preisgegeben habe oder so. Ich lege deshalb die Sache in Ihre Verantwortung.
Ich denke, Sie wissen, was zu tun ist. Und ich möchte außerdem, dass die Sache
mit dem Täuschungsversuch richtig gestellt wird.“
Alles
in allem nicht zuviel verlangt. Simon wusste nicht recht, wie er reagieren
sollte. Er war stinksauer, nein entsetzt oder schockiert trafen es besser, weil
Merle solche Dinge mit sich hatte machen lassen. Wie hatte sie es zulassen
können, sich zu einem Objekt degradieren zu lassen, und das für ein paar
lumpige Euro? Sein Zorn richtete sich vielmehr auf die Unbekannten, die sie
dazu gebracht hatten. Die Frau, die ihm gegenüber saß, gefiel ihm allerdings.
Sie hatte Courage und gleichzeitig hatte sie Einfühlungsvermögen. Er wusste
noch nicht genau, was er tun würde, aber er wusste, dass er ihr Vertrauen nicht
enttäuschen würde. Und das sagte er ihr auch.
„Das
weiß ich zu schätzen.“ Frau Tarnat nickte ihm zu und erhob sich. „Ich weiß,
dass Sie das alles jetzt erst einmal verdauen müssen, aber warten Sie nicht zu
lange, bis Sie etwas unternehmen. Ich gebe Ihnen bis übermorgen Zeit, die Sache
mit der Sechs in Ordnung zu bringen.“
„Ich
kümmere mich darum, versprochen.“
Er
gab ihr die Hand darauf. Auf dem Weg zur Tür sprach sie aus, worüber er auch
schon nachdachte, seit sie die Bombe hatte platzen lassen. „Ich frage mich
natürlich, wie sich jemand an eine Vierzehnjährige heranmachen und sie für
dieses Geschäft gewinnen konnte. Meiner Tochter ist in der Nähe der Schule
jedenfalls niemand aufgefallen, der versucht hat, mit Merle Kontakt aufzunehmen.“
Simon
hatte da so seine eigene Vermutung und die würde auch erklären, wo Merle untergetaucht
war.
Es war kurz vor halb eins, als bei
Funkes das Telefon klingelte.
„Geht einer von euch mal ran?“
hörte Funke seine Frau aus der Küche rufen. „Ich kann gerade nicht.“
Er legte den Sportteil der
Sonntagszeitung beiseite und folgte dem Klingellaut des Telefons in den Flur.
Es lag tatsächlich auf der Ladestation auf dem Tisch neben der kleinen,
gepolsterten Sitzgelegenheit, was selten vorkam. Er konnte auch nicht sagen,
warum das Telefon immer Beine zu bekommen schien, aber es war so. Von der Warte
aus hatte ein Telefon mit Kabel durchaus einen Vorteil.
„Funke“, sagte er in den Hörer.
„Holger? Hier ist Glen.“
„Hallo. Was gibt es?“
„Ich war gestern Nacht bei Roman im
Krankenhaus.“
„Was? Roman ist im Krankenhaus?“
Maggie steckte den Kopf aus der
Küche. „Mach es kurz, bitte. Das Essen ist gleich fertig.“
Er nickte ihr nur zu und ging mit
dem Hörer ins Wohnzimmer.
„Entschuldige. Jetzt bin ich wieder
da. Was ist mit Roman?“
„Mit Johanna. Sie hatte Blutungen
und das wohl ziemlich heftig. Aber sie haben das jetzt im Griff und es ist wohl
alles okay. Sie muss noch ein oder zwei Tage dableiben. Zur Beobachtung.“
Gott sei Dank. „Hat Roman dir
gesagt, dass du mir Bescheid sagen sollst?“
„Eigentlich nicht. Deshalb rufe ich
auch nicht an. Ich wollte dir nur sagen, dass ich Tuchels Mutter im Krankenhaus
getroffen hab. Christopher hat versucht, sich das Leben zu nehmen.“
„Was?“
„Kinder, Essen ist fertig. Kommt
ihr bitte?“ Maggie war im Flur und brüllte nach oben.
„Bin gleich unten“, rief Helen. Von
den Großen gab es wie üblich keinen Kommentar. Kevin hatte er überhaupt noch
nicht zu Gesicht bekommen. In der vergangenen Nacht war er war auf einer Party
gewesen und sicher spät nach Hause gekommen. Es hätte ihn nicht überrascht,
wenn er noch nicht mal angezogen war. Vicky sprach ja ohnehin nur das Nötigste.
Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie das Mittagessen in ihrem Zimmer vor
ihrem Computer eingenommen, aber damit kam sie bei ihnen nicht durch. Es war
ohnehin selten geworden, dass sie alle fünf zum Essen zu Hause waren und wenn
das dann der Fall war, bestanden Maggie und er darauf, dass sie sich alle
gemeinsam an den Tisch begaben.
„Wieso erfahre ich das erst jetzt?“
„Das ist wohl meine Schuld“, sagte
Glen am anderen
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