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Die Mädchen (German Edition)

Die Mädchen (German Edition)

Titel: Die Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Döhring
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ich, wir sind nicht eben im Guten
auseinander gegangen. Entschuldigen Sie meine Offenheit, aber in meinen Augen
war Ihr Vater ein selbstsüchtiger Mistkerl!“
    Sein Vater konnte hart sein.
Niemand wusste das besser als er. Es hatte Momente gegeben, da er den gleichen
Eindruck von seinem Vater gehabt hatte wie sie, dennoch war es nicht schön, so
etwas von einer völlig Fremden an den Kopf geknallt zu bekommen. Aber er sparte
sich eine Reaktion. Was sollte er auch dazu sagen? Die beiden hatten eine
gemeinsame Vergangenheit, über die er sich kein Urteil erlauben konnte. Er
hatte ja keine Ahnung, was zwischen ihnen vorgefallen war. Vielleicht hatte sie
durchaus das Recht, in abfälliger Weise über seinen Vater zu sprechen.
    Sie nahm einen letzten Zug von
ihrer Zigarette und pustete den Rauch hörbar aus. „Wie lange wissen Sie es
schon?“
    „Er hat mir im Krankenhaus davon
erzählt.“
    Sie beugte sich vor und drückte
ihre Zigarette im Aschenbecher auf dem Tisch aus. „Da wollte er wohl auf dem
Sterbebett sein Gewissen erleichtern. Na, das passt zu ihm. Hat er sich in den
ganzen Jahren nicht geändert.“
    Die Bitterkeit, die in ihrer Stimme
mitschwang, sagte viel darüber aus, wie die Affäre zu Ende gegangen sein
musste.
    „Und Ihre Mutter? Hat er ihr auch
alles gebeichtet?“
    Timo schüttelte den Kopf. „Nein. Er
hatte ausdrücklich nur nach mir verlangt.“
    Sie lachte ein freudloses Lachen.
„Wie bequem. Er ist sein schlechtes Gewissen los und lädt es auf Ihnen ab. Und
Sie können sehen, was Sie jetzt damit machen.“
    Ihre Worte trafen ihn. Zum einen
stört es einen immer, wenn Dritte sich negativ über Familienmitglieder äußern,
auch wenn sie mit ihrer Aussage noch so sehr im Recht sind. Zum anderen hatte
er selbst genau das gleiche gedacht. Kurz vor dem Tod wird noch mal reiner
Tisch gemacht und die Angehörigen können sehen, wie sie mit den Trümmern
umgehen. Doch sein Vater hatte eine ganz andere Intention, wie er mittlerweile
wusste. Er hatte an jemand anderen gedacht und nicht an sich selbst. Dass
gerade auf der Schwelle des Todes von seiner Seite eine selbstlose Handlung
erfolgte, war nicht ohne Ironie.
    „Haben Sie Ihrer Mutter etwas
gesagt?“
    „Nein. Ich finde nicht, dass sie
das wissen sollte. Im Moment zumindest noch nicht.“
    Sie nickte ihm zustimmend zu. „Das
ist sicher vernünftig. Sie wissen, dass ich sieben Jahre lang seine Geliebte
war?“
    „Nein.“ Er war mehr als überrascht.
Irgendwie war er davon ausgegangen, dass es eine kurze Affäre gewesen war, die
keine wirkliche Bedeutung gehabt hatte. Und so hätte er seiner Mutter das ganze
auch später verkauft, wenn es unvermeidbar geworden wäre, ihr reinen Wein einzuschenken.
Wenn sie jetzt aber von sieben Jahren sprach, war die Sache weit wichtiger als
angenommen und für seine Mutter wäre die Wahrheit ein schlimmer Schock.
    „Jetzt wissen Sie es und ich denke
wirklich nicht, dass es gut wäre, Ihrer Mutter von mir zu erzählen. Warum
sollten Sie ihr solchen unnötigen Kummer bereiten? Was hätte es für einen Sinn,
ihr nach so langer Zeit die Wahrheit über ihren Mann zu sagen? Es ist
Jahrzehnte her. Sie sollte ihn so in Erinnerung behalten, wie sie ihn gesehen
hat.“
    Er war vollkommen ihrer Meinung,
aber es ging eben nicht nur um sie und ihn. Deshalb bezweifelte er stark, dass
es möglich war, seine Mutter für immer im Dunkeln zu lassen.
    Sie lachte erneut und zeigte dabei
äußerst gepflegte Zähne. Gute Hygiene oder das Werk eines guten Zahnarztes?
„Obwohl ich mich schon ganz gern mal mit Ihrer Mutter unterhalten würde, nur um
zu sehen, wieweit unsere Meinung von ihm auseinander klafft.“
    Das würde wohl nicht geschehen. Er
konnte sich viel in seiner Fantasie ausmalen, aber dass seine Mutter mit dem
Verhältnis seines Vaters einen Plausch hielt, war undenkbar. Er fühlte wieder
den Blick der Frau auf sich ruhen.
    „Ich muss sagen, Sie interessieren
mich irgendwie. Warum sind Sie hier? Waren Sie neugierig auf die Frau, mit der
Ihr Vater Ihre Mutter betrogen hat? Wollten Sie sehen, was er an mir gefunden
hat?“
    Das auch, aber nicht vordergründig.
Sicher, er hätte lügen müssen, wenn er behauptete, dass er nicht wissen wollte,
was das für eine Frau war, die seinem Vater einst viel bedeutet hatte. Aber
allein deswegen hätte er sie nicht aufgesucht.
    „Sie sehen mir eigentlich nicht so
aus, als ob Sie wegen der Sensation hier sind.“
    Endlich kamen sie zum Wesentlichen.
„Nein. Ich habe einen anderen

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