Die Mädchen (German Edition)
immer wieder im Rückspiegel beobachtet und dabei
festgestellt, dass er irgendwie unbeteiligt wirkte, wie er da so saß und aus
dem Fenster schaute. Von der Hibbeligkeit in seinem Büro war nichts mehr zu merken.
Seltsam. Er war sicher, dass der Mann Dreck am Stecken hatte, seine
Rachegelüste gegenüber Almut Keller hatte er ja schon zugegeben, aber ob er
wirklich der Täter war? Hätte er dann nicht nervöser sein müssen? Im Büro war
er es, aber da hatte es ihn auch unvorbereitet getroffen. Die Bitte um einen
Anwalt hatte ihm jetzt Zeit verschafft, in Ruhe über die Strategie nachzudenken,
nach der er mit seinem Anwalt verfahren wollte. Genau um die Frage nach Waldows
Schuld drehten sie sich, seitdem sein Anwalt erschienen war und sich zur
Beratung mit seinem Mandanten zurückgezogen hatte.
„Ich hab ein komisches Gefühl“,
sagte Siewers, die an der Fensterbank lehnte.
Funke raufte sich die Haare. „Sie
immer mit Ihrem Gefühl.“
„Kommen Sie. Bei Tuchel lag ich ja
auch nicht so falsch.“
„Das ist es ja eben.“
Siewers verkniff sich ein Grinsen.
Sie wusste, dass Funke ihr auf diese Art ein Kompliment gemacht hatte.
„Vielleicht hat Waldow Sina tatsächlich umgebracht, aber ich sehe beim besten
Willen keine Verbindung zu Masio. Wieso sollte er die Leiche in Masios Hütte
gebracht haben?“
„Dass er die Leiche weggebracht
hat, wundert mich jetzt nicht.“ Roman, der neben Behrend vor Funkes
Schreibtisch saß, strich sich über seine Oberlippe, mal wieder vergessend, dass
da kein Bart mehr war. „Frau Eggers hatte ihn gesehen, deshalb musste die
Leiche aus dem Haus verschwinden.“
„Und wie hat er das gemacht, deiner
Meinung nach?“ Siewers sah ihn herausfordernd an. „Meinst du, er hat am
helllichten Tag die Leiche in sein Auto verfrachtet?“
Daran hatte Funke überhaupt noch
nicht gedacht.
„Vielleicht ist er ja in die Garage
gefahren?“ schlug Behrend vor.
„Und das hat keiner der Nachbarn
gesehen?“ Siewers Skepsis war angebracht. Es klang auch in Funkes Ohren alles
nicht richtig.
„Und außerdem kennt er doch Masio
gar nicht. Woher sollte er also von der Hütte gewusst haben?“
Sie dachten eine Weile über
Siewers’ Anmerkungen nach. Es war Roman, der sich als erstes fing. „Frau Eggers
hat doch gesagt, dass sie den Wagen schon häufiger dort gesehen hatte.
Vielleicht hat Waldow mal gesehen, wie Judith oder Sina von Bent nach Hause
gefahren worden sind und er ist ihm daraufhin mal nachgefahren.“
„Und dann hat er Nachforschungen
über ihn angestellt und so von der Hütte erfahren.“ Funke nickte langsam. „Ist
weit hergeholt, aber so könnte es zumindest gewesen sein.“
Er fühlte Siewers’ Blick auf sich
ruhen. „Sie glauben auch nicht, dass er der Täter ist.“
Jetzt waren alle drei Augenpaare
auf ihn gerichtet. Er seufzte. „Nein, Sie haben Recht. Ich bin nicht davon überzeugt, auch wenn ich den
Typen nicht ausstehen kann. Irgendetwas stört mich an unserer Theorie. Sie ist
nicht wirklich schlüssig. Das Motiv ist schwach, selbst wenn der Mord im Affekt
passiert ist. Und die Punkte, die Sie anführen, Siewers, die haben mir auch
schon Kopfzerbrechen gemacht.“ Er schüttelte den Kopf. „Es macht mich
wahnsinnig, dass scheinbar alle Spuren im Nichts verlaufen. Wir müssen davon
ausgehen, dass der Täter aus dem direkten Umfeld stammt, aber alle, die
vielleicht in Frage kommen, sind es offensichtlich nicht gewesen. Masio
scheidet aus, die Müllers waren es wohl auch nicht. Es ist zum Verzweifeln.“
„Da wäre immer noch Judith.“
Funke sah Behrend an. „Ich weiß.
Irgendwie scheint alles zu ihr zurückzukommen.“
„Sie hat kein Alibi. Sie kann ihre
Schwester ermordet haben, und dass die Leiche dann bei Masio landet, passt auch
zu ihr.“
Siewers nickte Roman zu. „Weil sie damit zwei Fliegen mit einer
Klappe schlägt und sich an den beiden Menschen rächt, die sie hintergangen
haben.“
„Klingt einleuchtend.“
Behrends langgezogener Ton schrie
förmlich nach einem Aber, das dann auch kam. „Aber sie ist sechzehn. Wie soll
sie die Leiche in die Hütte transportiert haben? Es sei denn, sie hatte Hilfe.“
„Eben“, sagte Funke. „Und ich
weigere mich einfach zu glauben, dass sie ihre Schwester auf dem Gewissen hat.“
Es klopfte an der Tür.
„Herein“, rief Funke und Waldows
Anwalt, ein gewisser Dr. Herrmann, betrat den Raum, gefolgt von seinem
Mandanten.
„Mein Mandant ist jetzt bereit,
eine Aussage zu machen.“ Herrmanns
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