Die Mädchen (German Edition)
ihre Tochter ermordet worden war, damit
hatte er sich für jedes Mitgefühl disqualifiziert.
„Ich hab nicht aufgegeben, weil ich
sie wirklich geliebt habe. Und dann bekam ich tatsächlich noch eine Chance. Wir
haben eine Nacht miteinander verbracht und ich dachte, jetzt wird alles gut.“
„Aber Frau Keller hatte andere
Pläne, als mit Ihnen in den Sonnenuntergang zu entschwinden.“ Es war fies, aber
er konnte nicht anders.
„Ja. Ich konnte es nicht fassen.
Sie hatte mich nur benutzt. Für ihren Trieb. Es war so demütigend. Und dann
noch dieser junge Franzose, mit dem sie ungeniert rummachte. Es war einfach zu
viel für mich.“
Junger Franzose? Die Keller hatte
noch einen Liebhaber? „Also haben Sie versucht, Frau Keller mürbe zu machen.“
„Ja. Ich hab sie immer wieder
angerufen, bin ihr über den Weg gelaufen, wenn sie nicht mit mir gerechnet
hatte.“
„Mit anderen Worten, Sie wurden zu
ihrem Stalker.“
Er nahm einen Schluck aus seinem
Glas. „Wenn Sie das so ausdrücken wollen.“
„Aber das hat Ihnen nicht gereicht.“
„Nein. Ich musste sie da treffen,
wo sie am Verwundbarsten ist. Sie ist Mutter, also musste ich sie über ihre
Kinder treffen, irgendwie.“
„Sie haben mit Judith Keller
Kontakt aufgenommen?“
„Ja. Ich hatte das Passwort für
Almuts Emailkonto herausgefunden und dabei Judiths Adresse entdeckt. Ich hab
ihr daraufhin geschrieben, mich als Kollegen ausgegeben, der eine Überraschung
zum Geburtstag ihrer Mutter plant.“
„Dann weiß Judith nicht, dass Sie
ihr Chef sind?“
„Nein. Ich hab ihr einen falschen
Namen gesagt.“
„Wie ging es weiter?“
„Wir haben uns verabredet. Und das
mehrmals. Ich hab mir langsam aber sicher ihr Vertrauen erarbeitet.“
„Was genau war Ihr Plan?“
Er zuckte mit den Achseln. „So
genau hatte ich darüber noch nicht nachgedacht. Ich wollte Judith so weit
bringen, dass sie vielleicht mit mir etwas anfangen würde.“
Funke glaubte ihm kein Wort. Er
hatte ganz genau gewusst, wie er vorgehen wollte, aber ob man ihm das
nachweisen konnte?
„Und? Wie weit sind Sie gekommen?“
„Judith ist nett. Ich mag sie, und
ich denke, sie mag mich auch. Sie hat mir von ihrem Freund erzählt, diesem
Motorradfahrer. Im Ernst, wer fährt zu dieser Jahreszeit eigentlich noch mit
dem Motorrad?“
„Jemand, der sich kein Auto leisten
kann.“
Er machte eine wegwerfende
Handbewegung. „Ist ja auch egal. Jedenfalls gefällt es ihr, wie ich mit ihr
rede. Sie kann mir ihr Herz ausschütten. Sie hat das Gefühl, dass ich sie
verstehe. Ich glaube, ich hab ihr auch ein bisschen imponiert. Ich meine, ihr
jetziger Freund konnte sie kaum zu einer Cola einladen, geschweige denn in ein
Drei-Sterne-Restaurant.“
„Sie haben ihr vorgegaukelt, Sie
wären an einer Beziehung zu ihr interessiert.“
Er wand sich ein wenig und Funke
wusste, dass er ihm jetzt ein Märchen auftischen würde. „Zuerst ja. Aber
mittlerweile mag ich sie wirklich sehr. Ich würde nie etwas tun, was sie
verletzen könnte.“
Wer’s glaubt... „Deshalb rufen Sie
ja auch weiterhin ständig ihre Mutter an, um sie fertig zu machen.“
„Das eine hat mit dem anderen
nichts zu tun.“
Ne, ist klar. „Lassen Sie uns also
zu letzten Mittwoch kommen. Erzählen Sie uns, wie der Nachmittag aus Ihrer
Sicht abgelaufen ist.“
„Ich hab mir den Nachmittag frei
genommen und bin gegen halb zwölf aus der Firma, um nach Lübeck zu fahren.
Judith und ich wollten uns nach ihrer Schule treffen, ein wenig spazieren fahren.“
Das konnte er seiner Großmutter
erzählen. Funke war sicher, dass er das Mädchen ins Bett kriegen wollte und das
nicht nur einmal. Er wollte sich seinen Spaß holen und dann irgendwann bei
ihrer Mutter die Bombe platzen lassen. Und er wusste, dass Almut Keller nichts
gegen ihn unternehmen würde, um ihre Tochter nicht noch ein weiteres Mal
demütigen zu lassen.
„Deshalb stand ich in der Nähe
ihres Hauses. Doch dann kam sie an meinen Wagen, stieg ein und sagte mir, dass
sie Bent nicht versetzen konnte. Sie wollte sich etwas einfallen lassen und wir
wollten uns dann später treffen.“
„Sie waren damit einverstanden,
dass sie sich weiterhin mit Bent traf?“
„Ja. Auch wenn es mir nicht
gefallen hat. Aber damit wir nicht auffliegen, war es besser, sie ließ das mit
ihm weiterlaufen.“
„Um welche Uhrzeit kam sie zu Ihnen
in den Wagen?“
„Ich würde sagen, es war halb zwei
oder etwas danach.“
„Wie lange war sie bei Ihnen?“
„Etwa zehn
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