Die Mädchen (German Edition)
die Hände spielte,
wenn er sie nicht mitnahm. Wie sah es denn für die anderen aus, wenn er sie
nicht einmal in so einer Situation mitnahm? Sie konnte förmlich Almuts Grinsen
vor sich sehen, wenn Marius allein bei ihr auftauchte. Zum Kotzen!
Na, was sollte es? Es ließ sich eh
nicht mehr ändern, da brachte es auch nichts, wenn sie sich von schlechten
Gedanken beherrschen ließ. Sie griff nach der Fernbedienung, die neben dem
Wecker lag, und schaltete den Fernseher an.
Ole Retzlaff sah, wie seine Frau
verblüfft auf den Hörer starrte.
„Hat sie einfach aufgelegt?“
Birthe schüttelte den Kopf. „Ohne
Worte.“
Er wusste gar nicht, warum sie so
erstaunt war. Sie musste ihre Schwester doch eigentlich am besten kennen. Er
war jetzt knapp drei Jahre mit Birthe verheiratet, kannte sie aber schon seit
fünf Jahren und wusste daher genau, wie seine Schwägerin tickte. Was sie
betraf, kam sie als erste und dann kam lange Zeit nichts. Er hatte sich
ihretwegen schon häufiger mit seiner Frau gestritten, weil er fand, dass Birthe
sich einfach viel zu viel gefallen ließ. Wessen Kinder waren es? So manches Mal
hatte er seine Zweifel, ob Birthe das überhaupt noch wusste. In jeder freien
Minute war sie die drei Straßen weiter im Haus ihrer Schwester und sah nach dem
Rechten. Sie half bei den Schularbeiten und machte etwas zu essen. Er hätte
sich nicht gewundert, wenn sie auch noch das Haus sauber hielt.
Noch bis vor etwa einem Vierteljahr
war es besser gelaufen. Da kamen die Mädchen zum Essen zu ihnen und auch wenn
er seine Frau ab und zu gern mal für sich gehabt hätte, es gab schließlich
Dinge, die man miteinander besprechen wollte, ohne dass seine Nichten alles
mitbekamen, war jene Regelung weitaus effektiver als die jetzige. Vor allem,
weil er so auch Birthe entlasten konnte, wenn sie ins Call-Center musste. Nicht
selten hatte er dann vor allem Sina bei den Hausaufgaben unter die Arme
gegriffen.
Aus heiterem Himmel wollten die
beiden Mädchen dann plötzlich lieber in ihrem Haus bleiben, weil sie wohl der
Meinung waren, sie konnten sich auch ganz gut selbst versorgen. Er wusste
nicht, ob die beiden sich und ihre Fähigkeiten überschätzt hatten oder ob seine
Frau ihnen nichts zutraute, jedenfalls führte diese Regelung dazu, dass Birthe
häufig abwesend war. Dadurch wiederum verrichtete er selbst inzwischen die
meiste Arbeit in ihrem Haushalt, weil sie ja außerdem auch noch im Call-Center
in den Media-Docks arbeitete. Sicher, als Sozialpädagoge waren seine
Arbeitszeiten flexibel und er deshalb an manchen Tagen recht früh zu Hause,
aber immerhin war er es, der den Hauptteil des Unterhaltes finanzierte, da
konnte er eigentlich erwarten, dass sie dafür mehr zu Hause leistete.
Andererseits konnte er aber auch
verstehen, dass Birthe sich gern um ihre Nichten kümmerte. Es war wie ein
Ventil für sie, seit sie erfahren hatte, dass sie selbst keine Kinder bekommen
konnte. Alles, was da an Muttergefühlen in ihr schlummerte, konnte sie so
ausleben, wenn auch in beschränkter Weise. Das Problem war nur, dass, obwohl
Birthe sich buchstäblich den Hintern aufriss, es immer noch nicht genug war.
Nicht selten musste sie sich von ihrer Schwester irgendwelche Nörgeleien
anhören. Ole hätte sie so manches Mal am liebsten durch das Telefon gezogen und
ordentlich durchgeschüttelt, aber er hielt sich meist zurück. Es war ein sensibles
Terrain, denn immerhin bekam Birthe für ihre Hilfe von Marius Geld und auch,
wenn sie es nicht nötig hatten, so hatten sie sich doch beide an dieses
zusätzliche Einkommen gewöhnt, das da seit ein paar Jahren mit schöner
Regelmäßigkeit auf ihren Konten landete und es wäre ihnen schwergefallen,
darauf zu verzichten. Das hieß aber nicht, dass Birthe sich deshalb jede Frechheit
gefallen lassen musste.
„Mach dir nichts draus. Sie
beruhigt sich schon wieder.“
Sie machte eine wegwerfende
Handbewegung. „Das ist es nicht. Daran bin ich gewöhnt.“
„Du machst dir Sorgen?“
Sie zuckte mit den Schultern, aber
er kannte sie besser. „Doch, das tust du. Was ist los?“
Er hatte nicht wirklich dem
Gespräch gelauscht, sondern war in seine Zeitung vertieft gewesen. Erst als
Birthe etwas lauter geworden war, hatte er hoch geblickt.
„Sina ist nicht zu Hause“,
erwiderte sie und sah ihn nachdenklich an.
Er legte die Zeitung aus der Hand
und setzte sich auf. „Um diese Zeit?“ Kein Wunder, dass Almut nervös war.
„Ich hab Almut gesagt, dass sie
wahrscheinlich bei
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