Die Mädchen (German Edition)
irgendeine Überraschung vorhatte. Heute hab ich sie noch gar nicht gesehen.“
„Hast du ihr kein Essen gemacht?“
„Wenn sie mir sagt, dass sie bei
euch ist, geh ich eigentlich davon aus, dass sie dann auch bei euch was zu
essen bekommt. Im übrigen ist sie nicht mehr so klein, dass sie sich nicht auch
mal ne Dose Ravioli warm machen kann.“
„Aber heute Morgen war sie da?“
„Natürlich“, sagte Almut mit
entrüsteter Stimme. „Sie war auch in der Schule, wie ich von einem der Mädchen
vorhin gehört habe.“
„Sie war auf jeden Fall gegen halb
zwei zu Hause“, ließ Judith sich vernehmen. „Da war ich kurz hier.“
Marius sah sie an und sie errötete
leicht. Es war klar, dass sie sich den restlichen Tag wahrscheinlich mit diesem
Proleten herumgetrieben hatte. Wenn er daran dachte, dass dieser Typ, - wie
hieß er noch? Bent? Was war das eigentlich für ein Name? Wann hatten die Eltern
von heute aufgehört, ihren Kindern vernünftige Vornamen zu geben? – seine
Tochter anfasste, wurde ihm schlecht. Wie konnte sie sich nur mit so einem
abgeben? Und seine Frau tat überhaupt nichts dagegen, weil sie nur mit ihrer
Arbeit beschäftigt war und lieber ihren Chef oder sonst wen bumste, als sich um
ihre Kinder zu kümmern. Er musste tief durchatmen, um nicht erneut auszurasten.
„Und danach hat sie niemand mehr
von euch gesehen?“
Kopfschütteln um ihn herum und so
langsam bekam er Angst. „Lasst uns mal logisch herangehen. Seit halb zwei ist
sie weg. Könnte sie abgehauen sein?“
Almut starrte ihn an. „Du brauchst
mich gar nicht so vorwurfsvoll anzusehen. Ich hab nicht mit ihr gestritten,
wenn du das meinst. Wenn überhaupt, kannst du wohl eher deinem Flittchen die
Schuld geben.“
Er schloss die Augen und zählte
lautlos bis zehn. Nur die Ruhe bewahren. Er wollte keinesfalls einen
Wutausbruch riskieren, weil er nicht garantieren konnte, dass er Almut dann
nicht die Gurgel umdrehen würde. Er kannte sich zu gut, um nicht zu wissen,
dass er in solch einer Situation nicht immer Herr seiner Sinne war.
„Warst du in ihrem Zimmer?“ fragte
er schließlich, ohne auf ihre bissige Bemerkung einzugehen. „Fehlt irgendetwas?
Ein Rucksack oder sonst was?“
Almuts Stimme war nur mehr ein
Flüstern. „Nein. Nicht dass ich wüsste.“
„Okay, das reicht. Ich ruf die
Polizei.“ Er streckte den Arm aus und verlangte das Telefon.
Almut hielt sich die Hand vor den
Mund. Ihre Augen waren geweitet vom Schrecken. „Mein Gott, du glaubst, ihr ist
etwas passiert?“
Seine Augen sagten ihr alles. Sie
reichte ihm den Hörer und ließ sich auf die Couch fallen. Tränen rannen über
ihr Gesicht. Birthe setzte sich auf die Lehne und legte den Arm um sie.
„Sch...Ist ja gut...Wir wissen doch noch gar nichts. Jetzt rechne doch nicht
gleich mit dem Schlimmsten. Vielleicht ist alles ganz harmlos.“
Doch an dem Blick, den sie ihm
zuwarf, konnte er sehen, dass sie ihren eigenen Worten keinen Glauben schenkte.
Karsten Waldow war auf dem Weg nach
Hause. Er saß in seinem Mercedes CL und genoss die Fahrt in vollen Zügen.
Fantastisch, was für Leasingverträge er durch die Firma abschließen konnte. Der
Wagen war nagelneu und hätte über einhunderttausend Euro gekostet, das hätte er
sich privat kaum leisten können. Purer Luxus! Unnötig, aber so verdammt geil.
Allein die Ledersitze waren das Geld wert und über den Bordcomputer brauchte man
gar kein Wort zu verlieren. Und dann das Fahrgefühl. Es war schon toll, dass
man selbst bei knapp zweihundert Stundenkilometern auf der Autobahn kaum
Fahrgeräusche wahrnehmen konnte, so sehr man sich auch bemühte.
Er hatte absichtlich das Radio auf
stumm geschaltet, weil er seinen Gedanken nachhängen und sich nicht von
irgendwelchem stumpfsinnigen Gelaber oder nervigem Gedudel ablenken lassen
wollte. So konnte er aber immerhin noch den Verkehrsfunk hören, falls es
irgendwo einen Unfall gab. Es war teilweise schon erschreckend, wie niveaulos
das Programm geworden war und damit meinte er in erster Linie nicht einmal die
journalistischen Inhalte, die es ja in öffentlich-rechtlichen Sendern immer
noch gab, oder die Musik. Er gehörte trotz seiner fünfzig Jahre nicht zu der
Generation, die per se meinte, dass früher alles besser gewesen wäre. Er mochte
auch viel aktuelle Musik und nicht nur Hits aus seiner Zeit als Teenager. Nein,
was ihm das Hören vermieste, waren die Werbung und vor allem die Moderatoren.
Ihm kam es oft so vor, als würde es den Sprechern nur
Weitere Kostenlose Bücher