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Die Mädchen (German Edition)

Die Mädchen (German Edition)

Titel: Die Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Döhring
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darum gehen, um jeden
Preis Pointen loszuwerden, ob sie passten oder nicht. Besonders schlimm war es,
wenn ein Team durch das Programm führte, denn dann wollte jeder den anderen mit
seinen Kalauern noch übertreffen. Er fand es ganz furchtbar, wenn ein Sprecher
immer ein Lachen in der Stimme hatte, wie um deutlich zu machen, dass er ja ach
so gute Laune hatte und jeden damit anstecken wollte, am besten morgens um
fünf. Er fragte sich, ob nur ihm das so ging oder ob mittlerweile mehr Leute
einfach das Radio abschalteten, weil sie es nicht mehr ertragen konnten.
    Der sich dem Ende neigenden Tag war
besser gelaufen, als er es erwartet hatte, denn sein Plan schien in mehrerer
Hinsicht aufzugehen. Er hatte lange gezweifelt, ob es sinnvoll war, zweigleisig
zu fahren, aber jetzt war er sicher, sich richtig entschieden zu haben. So
langsam trug seine Arbeit Früchte, wenn man es so ausdrücken konnte. Die eine
machte er nervös und die andere hatte er fast so weit, dass sie bereit war, den
nächsten Schritt zu wagen. Zum Glück wusste keine von der anderen und das
wollte er auch noch eine Weile so beibehalten. Alles musste perfekt zusammenpassen,
bis er die Bombe platzen lassen konnte.
    Bislang hatte das ganz gut
funktioniert, auch wenn es einmal schon ziemlich knapp gewesen war. Er war
gerade noch rechtzeitig abgetaucht, als die andere um die Ecke gesaust kam. Das
hätte auch ins Auge gehen können. Aber irgendwie schien das Glück mit einem Mal
auf seiner Seite zu sein, was bislang nicht oft vorgekommen war. Zumindest
hatte er nicht den Eindruck gehabt. Ein Außenstehender hätte sicherlich etwas
anderes gesagt. Und wie konnte jemand auch etwas anderes annehmen, der ihn nur
flüchtig kannte und nicht wusste, wie es in ihm aussah? Er hatte sich gut
gehalten für sein Alter. Sicher, sein Haar wurde langsam schütter und sein
Gesicht zierte die eine oder andere Lachfalte, aber bei gutem Licht ging er
noch für Anfang vierzig durch. Sein leichter Bauchansatz war in seinen Anzügen,
die er meistens trug, nicht zu erkennen. Er hatte Erfolg im Beruf, eine
wunderschöne Wohnung im Hamburger Stadtteil Eppendorf und fuhr einen
Superschlitten. Worüber konnte so einer wie er sich schon beklagen?  
    Dass er sich einsam fühlte, ahnte
ja niemand. Seit seine zweite Frau mit ihrem Skilehrer angebandelt hatte,
schlimmer als jedes Klischee, und direkt nach dem gemeinsamen Winterurlaub vor
acht Jahren die Koffer gepackt und nach Österreich umgesiedelt war, lebte er
allein. Kinder hatte er keine, auch nicht aus erster Ehe. Dass seine beiden Exfrauen
mit ihren neuen Männern jeweils gleich zwei Kinder hatten, ließ ihn sich auch
nicht besser fühlen. Klar hatte er ein paar One-Night-Stands gehabt, aber das
war es nicht, was er sich wünschte. Er wollte eine Frau, mit der er sein Leben
teilen konnte und keine flüchtigen Bettgeschichten.
    Als er Almut Keller bei einem
offiziellen Treffen bei der Hamburger Handelskammer kennen lernte, war er
sofort von ihr fasziniert gewesen. Sie war klug, redegewandt und sah verdammt
gut aus. Er hatte Glück, beim anschließenden Essen den Platz neben ihr zu
ergattern und war mit ihr ins Gespräch gekommen. Sie hatte ihm anvertraut, dass
sie sich beruflich verändern wollte, und er hatte ihr daraufhin sein
Unternehmen vorgeschlagen. Ein paar Wochen später traf er sie dort auf dem
Flur, nachdem sie sich in der Personalabteilung vorgestellt hatte und einen
Monat darauf bezog sie das Büro neben seinem. Er hatte sie lange aus der Ferne
beobachtet, bis er sich getraut hatte, sie zu fragen, ob sie mit ihm ausgehen
wollte. Sie hatte zugesagt und das war der Anfang von allem gewesen.
     
    Es war halb drei, als Birthe
Retzlaff die Haustür zu ihrer Wohnung aufschloss. Sie war hundemüde und fühlte
sich einfach nur elend. Was für ein furchtbarer Tag lag da hinter ihr. Es war
nicht allein das Verschwinden ihrer Nichte, das ihr zu schaffen machte, obwohl
das ja eigentlich schon schlimm genug war. Marius war ihr mit solch einer
selbst für ihn ungewohnt offenen Feindseligkeit begegnet, dass ihr fast die
Luft weggeblieben war. Am liebsten wäre sie sofort nach Hause gerannt, nachdem
sie ihm die Tür geöffnet hatte. Und dann Almut. Ihre Schwester brauchte nicht
mal etwas zu sagen, ihre stummen Vorwürfe sagten mehr als tausend Worte. Aus
jeder Geste, jedem Blick konnte sie ablesen, dass sie sie dafür verantwortlich
machte, dass Sina weg war. Die Botschaft war klar. Wenn sie nicht einfach ohne
zu hinterfragen

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