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Die Mädchen (German Edition)

Die Mädchen (German Edition)

Titel: Die Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Döhring
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nicht provozieren. Dafür war sie einfach noch zu müde. Sie
ging an den Schrank neben dem Kühlschrank, um den Kaffee herauszuholen und
sogleich machte Vicky einen kleinen Sprung zur Seite.
    „Du brauchst nicht wegzugehen. Ich
komm da schon ran.“
    Keine Reaktion. Sie hatte auch
keine erwartet. Stumm nahm sie den Kaffee und stellte die Dose neben die
Kaffeemaschine. Sie nahm die Kanne, ließ sie voll Wasser laufen und befüllte
die Maschine damit. Anschließend steckte sie eine Filtertüte in die Kaffeemaschine,
füllte etwas Kaffee hinein und stellte die Maschine an.
    „Was machst du überhaupt schon hier
unten um diese Zeit? Du musst ja ewig früh aufgestanden sein.“
    „Ich hab Papas Telefon gehört
vorhin und da bin ich hoch. Hat er wieder einen Mord?“
    Sie fragte das ganz beiläufig, aber
ihre Mutter konnte sie nicht täuschen. Jetzt wusste sie auch, warum Vicky schon
in Jeans und T-Shirt war und auch schon Make up aufgetragen hatte. Ihr Vater
hatte einen Mordfall zu klären und das brachte die Erinnerungen an den letzten
Fall wieder hoch. An den Fall, den die ganze Familie am liebsten so schnell wie
möglich vergessen wollte, weil er Vicky fast das Leben gekostet hatte. Kein
Wunder, dass sie nicht mehr hatte schlafen können, nachdem ihr Vater zu einem Mord
gerufen worden war.
    „Ja“, sagte Maggie nur. Der
Beschützerinstinkt in ihr verbot es ihr, mehr zu sagen.
    „Und? Hast du gehört, um was es
ging?“
    „Nein“, log Maggie und schämte sich
sogleich dafür. Sie hätte ihrer Tochter niemals ins Gesicht lügen können, aber
zum Glück brauchte sie ihrem Blick nicht auszuweichen, weil sie selbst es
tunlichst vermied, ihre Mutter anzusehen. Was für eine vertrackte Situation.
Und so unnötig. Im Grunde genommen war es ja nur aufgeschoben, denn sobald es
in den Nachrichten kam, würde Vicky ohnehin wissen, dass es um ein junges Mädchen
ging.
    „ Mum , bitte. Ich weiß genau,
dass Dad dir immer alles sagt.“
    Maggie seufzte. „Ein Mädchen. Sie
wurde auf dem Burgtorfriedhof gefunden. Mehr weiß ich auch nicht. Wirklich
nicht.“
    Vicky nickte. „Danke. Und Mum ,
du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen. Ich werde schon nicht gleich
zusammenbrechen, wenn ich so etwas höre. Mir geht es gut.“
    Sie ließ die leere Flasche auf dem
Kühlschrank zurück und ging an ihr vorbei aus der Küche. Sie hörte, wie sie die
Treppe nach oben ging und die Tür zu ihrem Zimmer schloss. Ihr ging es gut? Sie
musste sich keine Sorgen machen? Wem wollte sie das denn weismachen? Maggie
ließ sich auf einen der Küchenstühle fallen. Klar, deshalb hatte sie nicht mehr
in den Schlaf gefunden, weil es ihr so gut ging. Weil sie längst darüber hinweg
war, was mit ihr passiert war. Deshalb hing sie jeden Tag bis spät in die Nacht
vor dem Computer, um mit irgendwelchen Leuten im Internet zu chatten.
    Maggie wusste, dass es ihrer
Tochter nicht gut ging, weil es ihr ebenfalls nicht gut ging. Jeden Tag spürte
sie die Angst aufs Neue, die sie damals fast wahnsinnig gemacht hatte. Warum
verstand Vicky nicht, dass es das beste war, wenn man mit seiner Familie über
seine Probleme redete? Warum vertraute sie Fremden mehr? Es machte sie noch
ganz verrückt. Sie hatte das Gefühl, als würde sie ihre Tochter allmählich
verlieren und sie konnte gar nichts dagegen tun.
     
    Glen Behrend war der einzige, der
das junge Mädchen die Treppe herunterkommen sah. Frau Keller saß in sich
zusammengesunken auf dem Sofa, das Bild ihrer ermordeten Tochter mit verkrampftem
Griff in der rechten Hand. Ihre Freundin hatte von der Lehne aus tröstend den
Arm um sie gelegt und redete beruhigend auf sie ein. Funke war in die Küche gegangen,
um für die Mutter ein Glas Wasser zu holen.
    „Was ist hier los?“ rief das
Mädchen, als es unten angekommen war. Sie war hübsch, fand Glen, wenn sie auch
etwas verschlafen wirkte. Sie trug nur Jeans und Sweatshirt, aber Glen konnte
dennoch ihre tadellose Figur darunter erkennen. Und ihm fiel noch etwas auf.
Ihre Ähnlichkeit mit dem Mädchen auf dem Foto.   
    „Judith“, rief Frau Keller. „Sina.
Sie haben sie gefunden.“
    „Was?!“
    Ihre Mutter wippte langsam vor und
zurück und wimmerte. „Mein kleines Mädchen. Meine Sina.“
    Funke kam aus der Küche und reichte
der Freundin der Mutter das Glas, die es mit einem Nicken entgegen nahm.
    „Komm, Almut, trink einen Schluck.“
    „Ich hab keinen Durst.“
    Die Frau ließ nicht locker. „Komm,
es wird dir gut tun.“
    Frau Keller

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