Die Mädchen (German Edition)
hatte.“
„Birthe?“
„Meine Schwester. Sie sieht hier
nach dem Rechten, wenn ich mal länger arbeiten muss.“
„Und das kommt häufiger vor?“
„Ist das relevant?“
„Na ja, damit wir uns ein möglichst
vollständiges Bild machen können, wäre es schon gut, wenn Sie uns über die
Gewohnheiten hier bei Ihnen aufklären könnten.“
Sie seufzte. „Ich bin eine
berufstätige Frau. Allein erziehend. Und mein Job erfordert vollen Einsatz.
Dadurch kann ich nicht soviel Zeit mit meinen Kindern verbringen, wie ich es
gern würde, aber ich stelle sicher, dass sie gut versorgt sind.“
„Durch Ihre Schwester.“
„Ja.“
„Wann musste Sina denn
normalerweise zu Hause sein?“
Wieder zögerte sie einen Moment.
„Spätestens um sieben.“
„Und warum hat Ihre Schwester dann
nicht früher gemerkt, dass Sina nicht zu Hause war?“
„Weil Birthe davon ausgegangen ist,
dass Sina bei ihrem Vater ist.“
In der Haut der Schwester mochte
Glen nicht stecken. Nicht nur, dass sie sich wahrscheinlich selber die
schwersten Vorwürfe machte, es war klar, dass Frau Keller sie für das, was
geschehen war, verantwortlich machen würde.
„Haben Sie irgendeine Idee, wer das
Ihrer Tochter angetan haben könnte?“
Wieder flossen Tränen. „Ist das
nicht offensichtlich? Ein Perverser, der sich an kleinen Mädchen vergeht.“
„Wir wissen noch nicht genau…“
Sie ließ ihn nicht ausreden.
„Papperlapapp. Sie war nackt, oder nicht?“
„Ja, aber…“
„Sehen Sie? Fangen Sie den
Perversen.“
„Wir werden alles daran setzen,
aber wir müssen in alle Richtungen ermitteln. Hatte Ihre Tochter irgendwelche
Feinde?“
„Ist das Ihr Ernst? Sie war vierzehn,
Herrgott. Was glauben Sie, welche Feinde sie sich hätte machen können? Oder
denken Sie etwa, dass einer ihrer Schulkameraden sie ermordet hat? Wohl kaum.
Konzentrieren Sie sich lieber auf die Triebtäter, die hier rumlaufen.“
Sie tat gerade so, als ob sie nur
auf den Spielplatz gehen und die zuhauf dort herumlungernden Straftäter
verhaften mussten. Funke zog nur die Augenbrauen hoch und nickte Glen zu. „Wir
brauchen noch die Adresse Ihrer Schwester und von Sinas Vater.“
Sie nannte ihnen die Anschriften.
„Sollen wir Herrn Keller die
Nachricht überbringen?“ Funke gab Glen ein Zeichen.
„Ich denke, das wäre das Beste.“
Ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen. „Ich kann es ihm unmöglich am
Telefon sagen.“
Glen entschuldigte sich und trat
raus in den Flur. Er tippte Frohloffs Nummer und wartete einen Moment. „Roman?“
sagte er mit gedämpfter Stimme in den Apparat. „Hier ist Glen.“
„Und? Ist es die kleine Keller?“
„Ja. Eindeutig. Sag mal, könnt ihr
zum Vater fahren?“
„Kein Problem. Wir sind hier
sowieso fertig. Gibst du mir die Adresse?“
Glen gab ihm auch die Adresse der
Praxis. „Wenn er nicht zu Hause ist, könnt ihr es da ja versuchen. Zeigt ihm
zur Sicherheit ruhig noch mal das Foto. Aber eigentlich gibt es keinen Zweifel.
Die Schwester sieht genauso aus.“
„Okay. Danke, Glen. Bis nachher.“
Glen drückte das Gespräch weg und
ging zurück ins Wohnzimmer, in dem Frau Keller gerade in einem erneuten
Weinanfall kräftig ausschnaubte. „Kann ich meine Tochter sehen?“ fragte sie mit
belegter Stimme.
„Hältst du das für richtig?“
mischte sich ihre Freundin ein.
„Allerdings.“
„Das ist kein Problem“, antwortete
Funke. „Im Moment ist sie in der Gerichtsmedizin. Ich spreche mit dem Arzt und
gebe Ihnen dann Bescheid, wann Sie dort sein können. Wir würden jetzt gern noch
das Zimmer Ihrer Tochter sehen.“
„Warum das denn?“
„Vielleicht finden wir da einen
Hinweis, was sie gestern vorhatte.“
„Also ich weiß nicht. Das gefällt
mir irgendwie nicht.“
„Sie wollen doch, dass der Mörder
Ihrer Tochter gefunden wird, oder nicht?“
„Was ist das denn für eine Frage?
Na schön. Ich glaube zwar nicht, dass Ihnen das weiterhilft, aber wenn Sie
meinen…“
„Ist das Zimmer oben?“
„Ja. Aber ich kann jetzt nicht
mitkommen.“
„Ich mach das schon“, warf die
Freundin ein. „Kommen Sie.“
Sie ging voran, als Funke noch mal
stehen blieb. „Ach, eine Frage hätte ich noch.“
„Ja?“
„Sagt Ihnen der Name Merle Grothe
etwas?“
„Merle Grothe“, wiederholte Frau
Keller langsam. „Nein. Wer soll das sein?“
„Könnte sie nicht vielleicht eine
Freundin Ihrer Tochter sein?“
„Ich hab den Namen noch nie gehört.
Du?“
Judith schüttelte den
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