Die Mädchen (German Edition)
sich darüber schlüssig zu werden, ob sie mir
wirklich vertrauen sollte, griff sie in ihre Hosentasche, holte ein Bündel heraus
und warf es auf den Tisch. Geld. Und das nicht eben wenig.
Ich runzelte die Stirn. „Was ist
das?“
„Wonach sieht es denn aus?“
„Lass die Spielchen“, entgegnete
ich und bereute sofort, dass ich mich zu diesem scharfen Ton hatte hinreißen
lassen, aber Klugscheißerei konnte ich nun einmal auf den Tod nicht leiden. Das
begegnete mir ohnehin fast täglich, dafür brauchte ich mich nicht mit ihr zu
treffen. Ich hoffte nur, sie nicht verschreckt zu haben. Aber es sah nicht
danach aus.
„Ich wollte dich fragen, ob ich das
hier lassen kann.“
„Wie viel ist es?“
„Tausend Euro.“
Ich riss die Augen auf. „Was? Woher
hast du das?“
Sie zuckte die Achseln. „Der Job,
von dem ich dir erzählt habe.“
Tausend Euro? Was war das für ein
Job? „Wie viele Stunden hast du dafür gearbeitet?“
„Keine Ahnung“, sagte sie und hob
und senkte die Schultern. „Jedenfalls möchte ich nicht, dass meine Eltern was
mitkriegen. Deshalb wäre es schön, wenn ich es bei dir lagern könnte.“
Ich versuchte es anders. „Wenn
deine Eltern nicht wissen sollen, was du machst, hat es nichts mit Zeitungen zu
tun.“
„Was ist? Kann ich es irgendwo hier
lassen?“
Sie blieb hartnäckig und ich gab
auf. Irgendwann würde ich schon noch dahinter kommen, woher genau dieses Geld
stammte.
Siebentes Kap itel
„Also, was haben wir im Moment?“
Funke blickte in die Runde. Es war
immer noch keine neun Uhr am Donnerstagmorgen und er hatte sein Team noch
einmal für eine Lagebesprechung in sein Büro gerufen. An alle Fernsehsender
waren bereits Bilder sowohl von Sina Keller als auch von Merle Grothe gegangen,
damit diese sie in ihren Nachrichtensendungen zeigen konnten, um die
Bevölkerung um Hinweise zu bitten. Während alle Fäden bei Funke als leitendem
Hauptkommissar und seinem Team zusammenliefen, konnten sie die Arbeit natürlich
unmöglich allein bewältigen. Wie in solchen Fällen üblich, war deshalb eine
Sonderkommission eingerichtet worden und jeder verfügbare Beamte war damit
beschäftigt, die Nachbarschaft der Mädchen nach Spuren abzuklappern. Ferner war
jeder Innendienstmitarbeiter am Telefon, falls dort Hinweise eingingen. Bislang
gab es nichts nennenswert Neues außer den üblichen Wichtigtuern, die sich in
solchen Situationen immer meldeten.
„Wir haben ein totes Mädchen und
eines, das verschwunden ist.“
„Toll, Roman. Danke für diese
gelungene Zusammenfassung.“
„Na ja, viel mehr haben wir ja
wirklich nicht.“
„Das stimmt nicht so ganz“,
widersprach Siewers ihm. „Auch wenn Ihnen das nicht gefällt, Herr Funke, ich
glaube, dass es zwischen den beiden Fällen einen Zusammenhang gibt. Beide Mädchen
sind etwa gleich alt, derselbe Typ und beide haben sich im letzten halben Jahr
verändert, was Make up und Kleidung betrifft.“
Es gefiel ihm wirklich nicht, aber
Siewers hatte Recht. Ignorieren konnten sie die Parallelen nicht. Und wenn die
Zuschauer am Bildschirm die beiden Bilder sahen, würde jeder von ihnen den
gleichen Schluss ziehen, auch wenn die Sender die Weisung hatten, deutlich zu
machen, dass es bislang keinen Beweis für einen Zusammenhang gab.
„Aber beide Eltern haben unabhängig
voneinander ausgesagt, dass sie das jeweils andere Mädchen nicht kennen.“
Siewers warf Behrend einen Blick
zu. „Das muss gar nichts heißen. Meine Eltern kannten auch nicht alle meine
Freunde. Und außerdem ist da noch das Geld, das beide versteckt hatten.“
„Das Geld“, sagte Funke
nachdenklich. „Was meint ihr? Prostitution?“
„Was sonst?“ entgegnete Roman.
„Passt auch zu ihrer Aufmachung.“
„Und wie?“
„Straßenstrich. Was anderes kommt
nicht in Frage.“
Widerlich. Funke mochte gar nicht
daran denken. Dabei waren die beiden Mädchen jünger als seine eigene Tochter.
Wenn er sich vorstellte, dass Vicky... Nein, das konnte er sich gar nicht
vorstellen. Er musste sich zusammenreißen, dass er sich nicht schüttelte. Aber
es konnte schon sein. Allein die Art der Unterwäsche, die sie bei Sina im
Schrank gefunden hatten, konnte einem die Schamesröte ins Gesicht treiben. Das
war nichts, was eine Vierzehnjährige normalerweise drunter trug.
„Und dabei haben sie ihren Mörder
kennen gelernt?“
„Langsam Glen“, rief Funke. „Noch
ist Merle Grothe nicht tot.“ Und in ihren Gedanken sollte sie auch am Leben
bleiben,
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