Die Mädchen (German Edition)
erinnerte sich nur ungern an
ihren letzten großen Fall, bei dem er an der Schule ermitteln musste, an der
Kevin und Vicky waren.
„Wisst ihr, ich hab bei dem Grothe
so ein komisches Gefühl.“
„Ich fand den auch eigenartig“,
bestätigte Siewers. „So kalt.“
Roman nickte. „Und auf eine Art
nicht sonderlich besorgt. Seine Frau ist ausgerastet bei dem Gedanken, auf dem
Bild könnte ihre Tochter zu sehen sein. Und er machte den Eindruck, als wüsste
er schon im Vorwege ganz genau, dass es nicht seine Tochter war.“
Es wurde wieder viel über Gefühle
gesprochen in seinem Team und das war nichts Neues. Sicher, bei der Aufklärung
eines Verbrechens zählten Beweise, aber gerade was das Zwischenmenschliche betraf,
waren Gefühle wichtig. Funke selbst ließ sich nicht selten von seiner Intuition
leiten und war damit meist recht gut gefahren. Sein Team arbeitete auch deshalb
so gut, weil sie alle vier über ein gutes Gespür verfügten. Sie nahmen
Schwingungen wahr und wenn einer von ihnen sein Gefühl mitteilte, führte das
oft zu fruchtbaren Diskussionen untereinander.
Funke nahm Romans Äußerung deshalb
ernst. „Du meinst, er weiß, wo seine Tochter ist?“
„Das vielleicht nicht“, räumte
Roman ein. „Aber er ist sich sicher, dass sie am Leben ist. Er war regelrecht
feindselig uns gegenüber und außerdem hat er uns den Computer seiner Tochter
nicht mitgegeben.“
Funke horchte auf. „Was?“
„Komisch, oder?“
„Wie hat er das denn begründet?“
Roman verzog das Gesicht. „Er kam
uns mit der Privatsphäre seiner Tochter.“
„Das klingt seltsam. Ich meine,
wenn er nicht will, dass wir uns mit seiner Tochter beschäftigen, warum hat er
dann die Vermisstenanzeige aufgegeben?“
Roman grinste ihn an. „Wegen seiner
Frau. Die hat keine Ahnung, was los ist. Und ich wette, sie hat darauf
bestanden, dass er die Polizei ruft.“
„Oder er hat etwas Neues erfahren,
nachdem er die Meldung gemacht hat.“
„Oder so“, nickte Roman seiner
Partnerin zu.
„Schön, also werden wir ihm bei
Gelegenheit noch mal einen Besuch abstatten.“
„Und wen sollten wir im Umfeld der
kleinen Keller genauer unter die Lupe nehmen?“ fragte Siewers.
„Die Freundin“, sagte Behrend und
sah in sein Notizbuch. „Diese Ludwig, die hat ja so komische Andeutungen über
den Onkel gemacht.“
„Ich denke ohnehin, wir müssen mit
dieser Birthe sprechen und dann können wir uns auch mal ihren Mann ansehen.“
„Und Frau Ludwig selbst sollten wir auch nicht
außer Acht lassen.
“
„
Was
Und was ist mit der
Schwester
Tochter und deren
Freund?“ wollte Siewers wissen. „Ich meine, vielleicht hat die
Sprechstundenhilfe ja Recht damit, dass Sina was von dem Typen wollte.“
„Da werden wir auch noch genauer
nachhaken.“
„Was habt ihr eigentlich für einen
Eindruck von dem Vater und seiner Freundin?“ wollte Behrend wissen. „Die Mutter
und die Schwester waren ja beide
völlig
ziemlich fertig.“
Roman wiegte den Kopf hin und her.
„Der Vater hat es ziemlich ruhig aufgenommen, oder was meinst du?“
„Ja“, sagte Siewers. „Aber das mag
nur äußerlich so gewesen sein. Die Freundin lässt das Ganze wirklich kalt,
denke ich. Die konnte die Tochter auf den Tod nicht leiden. Ups! So war das
jetzt nicht gemeint.“
„Na ja, es wäre schon interessant,
mal mit der anderen Tochter zu sprechen, um zu sehen, was die über das
Verhältnis zur Wrede sagt.“
Siewers starrte Roman an. „Du
verdächtigst sie nicht im Ernst.“
Er verzog das Gesicht. „Solange wir
nicht genau wissen, wie Sina zu Tode gekommen ist, ist für mich jeder
verdächtig.“
„Wisst ihr, was ich schade finde?“
fragte Behrend. „Dass es scheinbar nicht mehr in Mode ist, Tagebücher zu
schreiben. Wäre doch super, wenn wir die Gedankenwelt beider Mädchen nachlesen
könnten.“
„Die chatten mittlerweile lieber
anonym im Netz und teilen sich da mit.“
Funke wusste, dass seine ältere
Tochter Vicky das ebenfalls tat. Seit der schrecklichen Geschichte vor vier
Monaten besuchte sie zwar regelmäßig einen Psychotherapeuten, aber ob dabei
etwas heraus kam, konnte er nicht beurteilen. Der Therapeut schien davon
überzeugt zu sein, aber er hatte eher den Eindruck, als ob Vicky wieder mehr
aufblühte, seit sie das Internet für sich entdeckt hatte. Zu Anfang hatte es
ihn verletzt, dass sie Fremden mehr anvertraute als ihrer Familie, aber da es
nicht von der Hand zu weisen war, dass es ihr dadurch besser ging, hatte er
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