Die Magie Des Herrschers
wichtigen Bereichen auszubreiten und hochzudienen, bis sie sich in verantwortlichen Positionen befanden. Die Billigung des Kabcar fände das mit Sicherheit nicht, der zwar die Lehren Ulldraels mehr und mehr in den Hintergrund drängte, sich aber auch nicht offen zu Tzulan oder seinen Kindern bekannte.
Pashtak erinnerte sich an die Bemerkung, dass in Ulsar ohne das Wissen des Herrschers regelmäßig Menschenopfer dargebracht würden. Und genau darum drehte sich die Botschaft an Leconuc.
Ein Tzulani aus der Hauptstadt wollte wissen, ob die Opfer in der Umgebung von Ammtára in ausreichender Zahl vorhanden seien oder ob man noch welche rechtzeitig zum Termin »anliefern« solle. »Wir können nicht riskieren, eine derart große Anzahl von Ungläubigen dem Tod zu übergeben, das Verschwinden würde selbst im gewachsenen Ulsar Aufmerksamkeit erregen und unangenehme Nachfragen hervorrufen«, lautete eine Zeile. »Fünfzig könnten wir jedoch abgeben, den Rest beschaffen wir euch aus den umliegenden Totendörfern. Hinzu kommen dreißig Freiwillige aus unseren Reihen, die ihr Leben für die Stärkung Tzulans und der Zweiten Götter gerne geben.«
Der Inquisitor berechnete das Datum des besonderen Tages und stieß auf einen Zeitpunkt in drei Monaten, der dem Gebrannten Gott allein geweiht war. Ihm zu Ehren sollten anscheinend so viele Menschen wie möglich sterben, damit die »Dunkle Zeit« anbräche. »Unsere Seher haben verkündet, dass sie unmittelbar bevorsteht«, endete der Brief, und Pashtak sah den Schreiber vor seinem inneren Auge, wie er freudig die Feder führte, es kaum noch erwarten konnte, bis die Jahre des wachsenden Friedens endlich vorüber waren.
Angewidert warf er das Stück Papier auf den Tisch und knurrte es an.
Was mache ich nun ?, grübelte er. Das Einfachste wäre, ich ließe Leconuc eine von mir überarbeitete Fassung des Briefes zukommen. Das eigentliche Problem, nämlich die Absicht der Tzulani, hätte er damit nicht aus der Welt geschafft. Vermutlich wäre er allein auch nicht dazu in der Lage. Hoffentlich stößt Ozunopopp bei dem Kabcar auf offene Ohren. Das ist das Einzige, was dem Treiben dieser Verblendeten Einhalt gebieten kann.
Nichtsdestotrotz würde er die Mitglieder der Versammlung einbestellen, die sich nicht dem Glauben an den Gebrannten Gott verschrieben hatten.
Pashtak wollte den Widerstand gegen die Pläne der Tzulani organisieren, und wenn er dazu alle Nackthäute aus Ammtára werfen müsste. Die Stadt und das geordnete Zusammenleben erschienen ihm wichtiger als der Anbruch der »Dunklen Zeit«, von der er und seine Artgenossen ohnehin nichts hätten. Das Erreichte würde er nicht aufgeben, sondern mit Zähnen und Klauen verteidigen. Was wohl geschähe, wenn er seine Erkenntnisse in der Versammlung vortrüge? Mord und Totschlag in der Stadt oder stilles Einverständnis zwischen seinen Artgenossen und den Nackthäuten?
Die Verantwortung lastete schwer auf ihm, denn schon längst ging es nicht mehr nur um die Aufklärung mehrerer grausamer Morde. Er musste sein Vorgehen genau durchdenken, um eine Möglichkeit zu finden, die den geringsten Schaden in der Gemeinschaft anrichtete.
»Das hat aber Zeit bis morgen«, gähnte er und brachte sein eindrucksvolles Gebiss zum Vorschein. Er streckte sich in seinem Stuhl, kratzte sich hinterm Ohr und stand auf, um die Unterlagen zu ordnen und einzupacken.
Er wollte zurück zu Shui und den Kindern. Beim wilden, ausgelassenen Spiel mit seinen Sprösslingen wichen die Sorgen und schweren Gedanken, die ihn belasteten, wenigstens für kurze Zeit dem glücklichen Beisammensein.
Er trat an die Balustrade, um von oben einen Blick auf das hallenähnliche Gebäude zu werfen, das mit Büchern nur so voll gestopft war. Regal stand an Regal; die Werke waren nur ihren Anfangsbuchstaben nach geordnet, eine durchgehende Sortierung nach der Thematik existierte nicht. Deshalb benötigte er auch so lange, um die richtigen Bücher zu finden, von denen vermutlich nicht einmal der Bibliothekar ahnte, welchen Inhalts sie waren, sonst hätte man sie dem öffentlichen Zugriff schon längst entzogen.
Meist war Pashtak allein in der Bibliothek, doch an diesem Abend entdeckte er auf Anhieb zwei recht junge männliche Nackthäute, die er noch nie hier zu Gesicht bekommen hatte.
Der eine blätterte unmittelbar am Fuß der Treppe lustlos in einem vergilbten Atlas, der andere unterhielt sich mit dem Tzulani, der ansonsten die Verantwortung für das Gebäude trug.
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