Die Magie Des Herrschers
aus und schaute an sich herab.
Wie alle anderen, die sichtbar an Deck standen, steckte er in einer palestanischen Uniform, um die Täuschung möglichst lange aufrecht zu erhalten. Im Bauch der Kogge warteten auf engstem Raum zusammengepfercht vierhundert Soldaten, um sich die Galeere und damit die sechzig Geschütze unter den Nagel zu reißen. Wenn die Schalmei ihre Töne aus den Bombarden erklingen ließe, würde das ohnehin geschwächte Inselreich einen herben Verlust erleiden, einmal abgesehen von der Galionsfigur Torben Rudgass.
Der palestanische Offizier stellte die Lampe ab und kehrte zurück.
»Der Name Baraldino sagt mir irgendetwas«, fiel Negis ein. »Hat nicht einer mit diesem Namen sich die Hosen vor der Regentin Alana der Zweiten voll geschissen?«
»Das war mein Cousin«, antwortete der Commodore gekränkt. »Eigentlich ist er ein ganz entfernter Verwandter. Ich kenne ihn nicht.«
»So einen Cousin würde ich auch nicht kennen wollen«, lachte der Maat. »Das muss mehr als peinlich gewesen sein, was?« Ein Strahl Tabaksaft klatschte auf die Planken.
Angewidert zog Baraldino den Schuh zurück. »Es ist in erster Linie eklig. So wie du, Pirat.«
»Freibeuter, mein Freundchen«, verbesserte Negis mit erhobenem Zeigefinger und geriet dabei in die gelockten Haare der weißen Perücke, sodass er sie beinahe vom Kopf gerissen hätte. Fluchend befreite er sich aus dem feinen Gespinst. »Wie kann man das nur auf dem Schädel tragen? Irgendein Gaul muss jetzt ohne Schweif auskommen, nur weil den Pfeffersäcken die Haare ausfallen.«
»Es ist eine Frage des Stils«, belehrte ihn der Commodore. »Menschen, die etwas auf sich geben, tragen dergleichen.«
»Ich kann dir mal was auf die Mütze geben«, schlug der Maat vergnügt vor und zog den Uniformärmel nach oben.
»Schluss jetzt, das hier ist keine Vergnügungsfahrt«, unterbrach Torben den palestanisch-rogogardischen Kulturaustausch. »Wie geht es weiter, Baraldino?«
»Wir beschreiben einen Halbkreis, nähern uns, wie besprochen, mit gerefften Segeln der Schalmei und treiben von Steuerbord heran«, wiederholte er gelangweilt das vorgeschriebene Anlegeprozedere. »Jede noch so kleinste Änderung bedeutet eine Salve aus allen Rohren.«
»Dann wollen wir mal«, nickte Negis und erteilte die Anweisungen, um längsseits zum Bombardenträger zu gehen.
Aufmerksam verfolgte die Wache die Bewegungen der Kogge. »Das Protokoll wird eingehalten«, lautete die Meldung über den Ablauf der Annäherung. »Nichts Ungewöhnliches, Commodore.«
Ein Glück, die Geschütze sind ohnehin nicht besetzt. Er hatte die Luken nur öffnen lassen, um den Anschein zu erwecken, dass er sich an alle Punkte der Kriegsordnung hielt.
Da es sich aber um ein bekanntes Schiff handelte, wollte er sich die Mühe sparen, mitten in der Nacht für eine störende Aufregung zu sorgen. Die Rudersklaven aus dem Schlaf zu reißen reichte ihm schon aus. Das Kettengerassel enervierte ihn.
Nachdenklich fixierte der palestanische Offizier das Gefährt. Es liegt ziemlich tief im Wasser. Baraldino wird doch nicht etwa einen Fang gemacht haben?
»Es liegt ziemlich tief im Wasser«, sagte eine bekannte Stimme neben ihm, und Nelisso wirbelte herum.
Verdammt, der Barbar hat mir gerade noch gefehlt, dachte er.
Der Tzulandrier Forkúta, dem das Kommando des Geschützträgers oblag, stand an seiner Seite. Der Rang des Mannes lautete »Magodan« und lag knapp über der Stellung eines Commodore. Er trug eine dunkelbraune Lederrüstung mit seltsamen eingebrannten Mustern, Runen und Zeichen, die bis auf die Oberschenkel reichte; aufgesetzte Eisenringe verstärkten den dünnen Panzer. Die Beine wurden durch einen ebenso gestalteten langen Lederrock geschützt. In seinem Waffengürtel steckten zwei bizarr geformte Beile. Den Kopf zierten lediglich drei schwarze Haarlinien, so breit und hoch wie ein Finger; zwei verliefen waagrecht über den Ohren, die dritte befand sich oben auf dem ansonsten kahlen Schädel. Die schimmernden Monde beschienen das harte, glatt rasierte Gesicht des Magodan.
Auf den ersten Blick unterschied diese Menschen nichts Wesentliches von Ulldartern, aber es lag eine Wildheit in ihren Augen, vor der man Angst bekam.
Der Palestaner musste immer an gezähmte Wölfe denken, die ihre wahre Natur nicht verbergen konnten. Unterschiedlicher hätten die Verbündeten vom Äußeren her nicht sein können.
»Das ist mir auch schon aufgefallen, Forkúta Magodan«, antwortete Nelisso
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