Die Magie Des Herrschers
Miene klarte auf. »Der junge Kaufmannssohn, den wir gesund gepflegt haben.« Er verschwand von seinem Aussichtsposten. Kurz darauf öffnete sich knarrend das Tor zu dem eindrucksvollen Anwesen, und der Wärter winkte ihn herein.
Der Junge ritt auf seinem Hengst voran; ihm folgten zwei Bewaffnete und ein rumpelnder Karren, beladen mit nicht weniger als zwanzig mittelgroßen Weinfässern.
»Immer geradeaus, Herr«, wies ihn der Mann an, »man wird Euch erwarten.« Das Rufhorn wanderte an seine Lippen, und eine schnelle Abfolge von Tönen schallte durch die Luft. »Ich folge Euch sogleich.«
Das Hauptanwesen, eher eine kleine Burg als ein Wasserschlösschen, lag einen viertel Warst vor ihnen. Die Zugbrücke senkte sich langsam für die Gäste herab.
»Und du bist dir sicher, dass der Trick funktioniert?«, zischte einer von Tokaros Begleitern unsicher.
»Es sieht auf alle Fälle danach aus«, raunte der ehemalige Rennreiter des Kabcar und rückte den aufwändigen Rock sowie die weiße Langhaarperücke zurecht, die vom letzten Beutezug stammten. Die Waffenröcke seiner Wächter wirkten bei näherer Betrachtung ebenfalls schon etwas getragen.
»Und wenn dich einer nach dem dunklen Fleck fragt: Es war Rotwein«, gab Tokaro Anweisung.
»Glaubst du wirklich, ich würde sagen, dass er vom Blut des vormaligen Besitzers herrührt?«, schnaubte sein Begleiter. »Ich bin doch nicht dämlich.«
Wollen wir es hoffen. Als Tokaro den Schimmel ins Innere des Wasserschlösschen gelenkt hatte, ratterte die Zugbrücke hinter dem Karren wieder in die Höhe. Ihn beschlich ein unangenehmes Gefühl. Wenn etwas schief gegen sollte, sitzen wir wie die Ratten in der Falle.
Da stürmte der Besitzer des Anwesens die Freitreppe herab, die Arme ausgebreitet, das Gesicht lachend. »Mein lieber Fjodosti, wie schön, Euch gesund zu sehen!«
Tokaro rutschte aus dem Sattel und machte einen Kratzfuß vor dem Neuadligen. »Nun, wohlan, ich verdanke mein Wohlergehen einzig und allein den Künsten Eures Heilkundigen, der mich nach dem arg rabiaten Überfall durch diese unverschämte, verlauste …«, er wandte sich zu seinen Begleitern um, deren Schultern vor unterdrückter Heiterkeit bebten, »niederträchtige und besonders hässliche Räuberbande wieder bestens präparierte.«
»Ja, fürwahr, mein Heiler ist schon ein Meister seines Faches«, antwortete der Besitzer geschmeichelt. »Und das?« Er beäugte das Gefährt mit den Fässern.
»Ist der versprochene Lohn für die überaus große Güte, mein lieber Tchanusuvo«, ergänzte Tokaro. »Ihr müsst meinem Vater die Knauserei nachsehen, dass es nur 20 Fass des besten Rotweines wurden. Aber die Ernte fiel schlecht aus, die Winzer waren Trottel.«
»Das kenne ich«, nickte der Adlige traurig. »Meine Leibeigenen …«, schnell legte er die Hand auf den Mund und spielte den Ertappten, »hoppla, wenn das der Kabcar gehört hätte! Ich meine natürlich, meine ›freien Pächter‹, leisten auch viel zu wenig, seitdem der Herrscher ihnen das Gold in den Arsch schiebt.« Er lachte lauthals, und der einstige Rennreiter fiel höflich mit ein. »Nun, ich nehme mir das Gold schon auf irgendeine Weise wieder zurück, und mein Arm ist lang. Alle haben Schulden, alle.« Er tippte dem Jungen gegen die Brust. »Und Ihr habt die Eurigen soeben beglichen.«
»Ich Glücklicher, wo Ihr doch sogar anderen mit Eurem langen Arm in den Arsch langt, um an das Gold zu kommen, nicht wahr?«, lachte ihm Tokaro ins Gesicht, obwohl er ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst hätte, dass sein falscher Schönheitsfleck bis nach Ulsar geflogen und das Puder aus der Perücke aufgestäubt wäre. »Ihr müsst meinen Leuten nur zeigen, wohin sie die Fässer rollen sollen, den Rest erledigen sie.«
»Das ist sehr aufmerksam.« Vasruc Tchanusuvo winkte seinen Kellermeister herbei und gab entsprechende Anweisungen.
Der ehemalige Rennreiter nahm ein großes, fast mannslanges Paket vom Wagen und klemmte es sich mit einiger Anstrengung unter den Arm. »Ein Präsent, das ich Euch später zeigen möchte«, erklärte er knapp.
»Sehr schön. Immer her damit. Man kann ja nie genug haben, nicht wahr?«, meinte Tchanusuvo. Dann fasste er seinen Gast am Ellenbogen und geleitete ihn zu seinem Anwesen. Durch eine verschwenderisch ausgestattete Eingangshalle ging es die Treppe hinauf in den Salon, wo Tokaro sich in einem Sessel niederlassen musste.
»Ihr wohnt sehr schön, wie mir einmal mehr auffällt«, begann er. »Während ich
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