Die Magie Des Herrschers
eben nicht jeden Tag ein Messer in die Schulter.«
Das Mädchen legte alle Scheite in die Flammen, um das Feuer höher brennen zu lassen. Nachdenklich starrte sie in den flackernden Schein. »Was wird Soini wohl meinem Vater erzählen?«
»Er wird Lügen verbreiten. Und nachdem ich ihm die Nase gebrochen habe, habe ich mir seine Feindschaft wohl endgültig zugezogen, egal ob die Zobel kommen oder nicht.« Er wird mich hassen, wenn ich ihm auch noch die Wolfsjagd vermiese. Ein böses Grinsen stahl sich auf sein Gesicht.
»Wir sollten zurück«, meinte Jarevrån ein wenig besorgt. »Bitte, ich will meinen Vater gleich die Wahrheit sagen, noch bevor Soini sein Schandmaul öffnen kann.« Sie warf Schnee auf die Flammen, um das Feuer zu löschen. »Bist du mir sehr böse?«
»Nein, es ist mir auch lieber«, log er. »Die Kleidung wird nass, und das Blut klebt wie Harz.« Doch seine Enttäuschung über den raschen Rückzug von der Lichtung konnte er nur schwer verbergen.
Die Kalisstronin spürte die Stimmung des Jungen und schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln. »Es war eine sehr schöne Überraschung, dass du mir die Klingenden Steine gezeigt hast. Ich denke, es weiß sonst niemand in der Stadt davon, mal abgesehen von dem Idioten Soini.«
Eigentlich hatte Lorin warten wollen, bis es noch dunkler geworden war. Aber er musste ihr seine Entdeckung zeigen. »Dreh dich um und schau auf die Steine«, bat er sie.
Sie sah ihn spitzbübisch an und kam seiner Aufforderung langsam nach. »Ja, und?«
Er begann die Melodie mit dem dunkelsten Ton, den er erzeugen konnte. Kaum verebbte dieser, brandete eine Symphonie aus Licht und Tönen auf und jagte einen Schauer der Faszination über die Körper der beiden jungen Menschen.
Lorin konnte nicht sagen, wie lange er die magischen Ströme aufrechterhielt, um das unbeschreibliche Erlebnis für Jarevråns Augen und Ohren möglichst ausgiebig zu gestalten. Aber irgendwann entglitten ihm die Ströme, und in einem letzten Ton und mit einem immer schwächer werdenden Glimmen des kleinsten Steines endete das Konzert.
Die Kalisstronin wandte sich mit großer Überwindung von der Gesteinsformation ab, ihr Gesicht drückte unglaubliche Freude und Rührung aus. Zum Dank gab sie dem Jungen, der sich geistig völlig verausgabt hatte, einen gefühlvollen Kuss. Dann nahm sie ihn bei der Hand und lief schweigend mit ihm zurück zum Schlitten.
Obwohl sie die Strecke zurücklegten, ohne ein Wort zu wechseln, fühlte Lorin sich Jarevrån so unsagbar nah wie noch nie zuvor.
Endlich erreichten sie den Hundeschlitten. Lorin saß nicht einmal richtig auf dem Sitz, da verfiel er in einen dämmerigen Halbschlaf, in dem er die Reise nach Bardhasdronda wie im Traum erlebte.
»Hast du den Schwarzwolf gesehen, der am Waldrand stand? Ich hatte den Eindruck, als hätte er auch zugehört«, sagte Jarevrån, als sie das Stadttor erreichten. »Und das Seltsamste ist: Ich verspürte keine Angst. Alles war so friedlich.«
Der Knabe konnte nur nicken. Mit Mühe schaffte er es, sich aus dem Sitz zu wuchten, während das Mädchen das Gefährt für die Stadt umbaute.
Vor dem Hausboot angekommen, half sie ihm beim Aufstehen und umarmte ihn innig.
»So etwas Schönes hat kein Kalisstri seit mehr als beinahe tausend Jahren mehr erlebt«, raunte sie ihm zu, bevor sie ihn losließ. »Magie ist etwas Wundervolles.«
Ein wenig verlegen zog Lorin die Nase hoch. »Das war noch gar nichts. Warte, bis ich mich richtig gut mit den Steinen verstehe.«
»Kuriere dich erst einmal aus.« Jarevrån schwang sich auf den Schlitten, winkte ihm und verschwand bald zwischen den Gebäuden des Hafens.
Ein wenig wackelig auf den Beinen betrat er die Planken des Hausbootes. In Gedanken hörte er immer noch das Lied der Klingenden Steine.
Damit er keine unbequemen Fragen beantworten musste, schlich er sich am schnarchenden Matuc vorbei und zog sich die blutigen Kleider aus, um sie in einer mit Salzwasser gefüllten Schale einzuweichen.
Behutsam wusch er sich und betastete die nackte Stelle, an der Soinis langes Jagdmesser in die Schulter eingedrungen war. Ein sanftes Brennen und eine trockene Kruste verkündeten ihm, dass der Heilungsprozess noch nicht vollständig abgeschlossen war. Je stärker die Verletzung, desto schwieriger wird es also für die Magie, sagte er sich. Nur schade, dass ich niemanden heilen kann.
Er hatte den Wolf nicht bemerkt, die Steuerung der Steine hatte ihn zu sehr in Anspruch genommen. Aber Lorin sah es
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