Die Magier 01. Gefährten des Lichts - Six héritiers (Le Secret de Ji, Bd. 1)
verschwand.
Die untersten Ornamente waren recht grob gearbeitet und fast vollständig verwittert, doch je weiter es nach oben ging, desto feiner und genauer wurde das Muster.
Yan sprang zu Boden und hievte seinerseits Rey hoch, der es kaum erwarten konnte.
»Was ist das?«, fragte Rey schließlich. »Eine Art Schrift? Oder einfach nur eine Verzierung?«
»Wir wissen es nicht«, antwortete Corenn. »Vor über einem Jahrhundert entdeckte der Weise Maz Achem eine Ähnlichkeit zwischen diesem Muster und ethekischen Schriftzeichen.«
»Die leider niemand mehr lesen kann, weil die Sprache längst ausgestorben ist«, sagte Rey spöttisch, als er wieder auf dem Boden stand. »Aber was soll man von einem Maz anderes erwarten als eine religiöse Spinnerei.«
Léti runzelte die Stirn. Seine Respektlosigkeit gegenüber den Weisen ging ihr wirklich gegen den Strich.
»Und die Zeichen reichen bis zur Decke?«, fragte Bowbaq.
»Nicht nur das«, antwortete Grigán mit einem rauen Lachen.
Yan und Rey wechselten einen kurzen Blick und eilten zur gegenüberliegenden Wand. Wortlos machte Rey eine Räuberleiter, und Yan stellte einen Fuß hinein.
Auch auf dieser Seite entdeckten sie Zeichen.
»Mir persönlich gefallen die auf der linken Seite besser«, sagte Corenn augenzwinkernd. »Sie sind feiner gearbeitet.«
Léti ließ sich von Bowbaq zur gegenüberliegenden Wand tragen, um selbst einen Blick darauf zu werfen. »Es muss Jahre gedauert haben, sie in den Fels zu meißeln«, sagte sie bewundernd.
»Läuft der Streifen die Decke entlang?«
»Ja.«
»Was sind das für Zeichen, Tante Corenn? Magische Runen oder so etwas?«
»In der Tat«, sagte sie ernst. »Die Zeichen besitzen Macht, aber wir wissen nicht, wie sie wirkt.«
Schweigen trat ein. Alle versuchten, Ordnung in ihre Gedanken zu bringen.
In Arkarien war es üblich, alles, was den menschlichen Verstand übersteigt, zu achten und zu fürchten. Deshalb hatte Bowbaq es eilig, aus diesem finsteren Loch zu kommen, das verdammte Meer zu überqueren und sich endlich wieder gewöhnlichen Dingen zuzuwenden.
Léti hatte seit Langem akzeptiert, dass es so etwas wie Magie, Götter, Legenden und andere unerklärliche Dinge gab. Die Kräfte ihrer Tante und das Geheimnis ihrer Vorfahren waren der Beweis. Doch zum ersten Mal erlebte sie so etwas hautnah, zum ersten Mal steckte sie mittendrin. Der Gedanke erfüllte sie zugleich mit Schrecken und Begeisterung.
Yan hatte das Gefühl, ein völlig anderer Mensch zu sein. Noch zwei Dekaden zuvor hätte er niemals geglaubt - selbst wenn man es ihm prophezeit hätte -, dass er bald vor einer Bande Mörder auf der Flucht sein würde.
Und doch war es so gekommen. Er hätte niemals geglaubt, dass er in einem lorelischen Städtchen, von dem er noch nie gehört hatte, sein Leben aufs Spiel setzten würde. Und doch war es geschehen. Er hätte nicht gedacht, dass er sich mit Fremden auf eine gefährliche Reise begeben würde, nicht, dass er sich mit Léti streiten würde, nicht, in all diese irrsinnigen Ereignisse verstrickt zu werden. Und doch war es so.
Jetzt ging es um Magie. Yan war bereit, die verrücktesten Dinge zu glauben, um seine Abenteuerlust zu stillen, die von Tag zu Tag größer wurde. In diesem Augenblick war Yan der Glücklichste in der Runde.
Nur Rey zweifelte. Seine Erfahrung mit Magie beschränkte sich auf die Taschenspielertricks selbsternannter Zauberkünstler auf den Märkten der großen Städte, und diese Vorführungen waren nichts als Täuschungen. Er hatte das leise Gefühl, jemand triebe Schabernack mit ihm. Außerdem war er es leid, darauf zu warten, dass er gnädigerweise in das Geheimnis eingeweiht wurde. »Schluss mit den Rätseln«, sagte er fest. »Corenn, ich flehe Euch an. Gebt mir eine Erklärung, irgendeine Erklärung.«
Die Ratsfrau überlegte einen Augenblick. »Was ist das hier Eurer Meinung nach? Selbst wenn es Euch abwegig erscheint?«
»Meiner Meinung nach? Ich würde sagen: eigenartige Zeichen, die irgendjemand irgendwann irgendwie in einer verlassenen Höhle auf einer unbewohnten lorelischen Insel hinterlassen hat.«
»Ein Tor«, sagte Yan leise.
»Was?«
»Ich glaube, es ist eine Art Tor. Die Zeichen auf den Höhlenwänden bilden einen Bogen.«
»Und wo ist dann die Türklinke?«, fragte Rey gehässig.
»Yan hat recht«, mischte sich Grigán ein. Es war ihm ein Vergnügen, Rey widersprechen zu können.
»Damit ich Euch diese Geschichte abkaufe, müsst Ihr mir schon gute Argumente
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