Die Magier von Shannara 1 - Das verbannte Volk
die verschiedenen Formen von Macht zu meistern. Ob es nun Tiere oder Menschen waren, stets genoss sie diesen Teil der Rituale. Zwar bestanden andere und sicherere Möglichkeiten, ihre Ziele zu erreichen, jedoch führten diese nicht rasch genug voran. Sie ließ sich verführen und trieb auf ihre eigene Zerstörung zu. Zu der Zeit, da sie Iridia Eleri kennen lernte, eine Verbannte und Zauberin wie sie selbst, hatte sie sich in den Verlockungen der Magie verstrickt und empfand Appetit auf mehr. Iridia war angesichts ihrer eigenen verdrehten Leidenschaften und Geheimnisse halb wahnsinnig, und ihre Freundschaft gründete sich auf ihren gemeinsamen Sehnsüchten. Magie konnte ihnen alles bieten, wonach ihnen der Sinn stand, glaubten sie; dazu mussten sie lediglich die Komplexität beherrschen.
Sie beschlossen, zusammen nach Paranor zu gehen und um Aufnahme in den Druidenorden zu bitten. In fieberhafter Aufregung brachten sie die Reise hinter sich, achteten aber darauf, den Wahnsinn zu verbergen, der sie antrieb. Die Ard Rhys war überraschend leicht zu täuschen. Sie wurde von den Erfordernissen abgelenkt, die mit der Führung des Ordens verbunden waren, und sie suchte vor allem nach Individuen, die der Sache der Druiden dienen wollten. Shadea a'Ru und Iridia Eleri schienen genau das zu sein, wonach sie Ausschau hielt. Dabei entging ihr, wie beide Frauen sich verstellten; sie wollten den Zielen der Druiden dienen, jedoch nur insoweit, wie es notwendig für sie war, um ihre eigenen Ziele weiter verfolgen zu können. Nach ihren ersten drei Jahren war beiden Zauberinnen klar, dass Grianne Ohmsford, die unbestritten große Macht besaß, nicht mehr über die Autorität der Ilse-Hexe verfügte. Sie hatte sich selbst schwächen lassen, und zwar durch die Beschränkungen, die sie sich auferlegt hatte, indem sie ihre Vergangenheit hinter sich ließ. So war sie nicht bereit, die Risiken einzugehen und sich auf die Opfer einzulassen, deren Notwendigkeit die Hexe sofort begriffen hätte. Weder Shadea noch Iridia kannten solche Skrupel. Der Orden zerfiel langsam, und täglich verringerten sich die Chancen, dass er die Herrschaft über die Rassen erlangen würde. Vor allem Shadea war entschlossen, die Kontrolle über die Druiden zu ergreifen und sie in die richtige Richtung zu lenken. Nachdem sie entschieden hatte, dass sie nur ein Weg zu diesem Ziel bringen würde, setzte sie sich bald über ihre Treueide der Ard Rhys gegenüber hinweg und wurde zur aktiven Kritikerin.
Fünf Jahre lang hatte sie ehrgeizig ihr Ziel verfolgt, Grianne Ohmsford zu stürzen und sich selbst zur Ard Rhys zu machen. Heute Nacht würden ihre Pläne endlich Wirklichkeit werden.
Sie eilte durch die modrigen Gänge zu dem geheimen Ausgang zwei Stockwerke tiefer in einem Lagerraum, in dem Bettzeug und Pritschen aufbewahrt wurden. Die Erregung spiegelte sich auf ihrem glatten, kantigen Gesicht wider. Sie würde keinen Fehler begehen, und sie würde nicht scheitern. Wenn der Trank wirkte, würde sie ihr Ziel erreichen, und das Warten hätte ein Ende. Sollte sie trotzdem scheitern, hoffte sie nur, ausreichend Zeit zu bekommen, um zu Sen Dunsidan zurückzukehren und ihm die Kehle durchzuschneiden.
Grianne Ohmsford legte ihre Notizen und Aufzeichnungen zur Seite, ihre Berichte über die vergangenen Treffen mit dem Premierminister und die Zusammenfassungen ihrer zumeist gescheiterten Bemühungen, und bereitete sich darauf vor, zu Bett zu gehen. Tagwen erschien und brachte ihr einen Schlaftee, den sie in letzter Zeit regelmäßig trank, dann räumte er das Zimmer auf. Er beschäftigte sich eine Weile lang und wartete, ob sie ihm noch etwas zu sagen hatte, was sie schließlich auch tat. Sie fragte ihn, ob Kermadec etwas zu essen bekommen hatte, was der Fall war. Trolle waren stolz auf ihre Unabhängigkeit und ihre Findigkeit, und sie waren es nicht gewöhnt, um etwas zu bitten, wenn sie auf Reisen waren. Es musste ihnen aus freien Stücken angeboten werden. Diese Gewohnheit entsprang ihrer langen kriegerischen Geschichte, und daran würde sich auch so schnell nichts ändern.
Tagwen berichtete zudem, dass die Trolle vor der Tür ihren Posten eingenommen hätten. Das tat er jede Nacht, um sie zu beruhigen, doch sie achtete kaum darauf. In Paranor fühlte sie sich nicht bedroht, ungeachtet der offenen Feindschaft mancher Mitglieder des Ordens ihr gegenüber. Wachen und Mauern, Schutzzauber und aufmerksame Augen konnten sie sowieso nicht retten, falls sie tatsächlich
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