Die Magier von Shannara 3 - Die Verschwörung der Druiden
keine Ahnung, wo er sich befand, er lag auf hartem Boden, seine Knochen schmerzten, seine Muskeln brannten. Die Welt lag in Dunst; die Sonne schien nicht, es gab keine hellen Farben, keine angenehme Wärme, keinen Vogelgesang, der ihn zum Aufstehen ermuntert hätte. Der neue Tag hüllte sich in dumpfe Stille und in trübes Grau. Am liebsten hätte er weitergeschlafen.
Er schloss die Augen noch einmal und schlug sie wieder auf, als ihm klar wurde, dass er sich in der Verfemung befand. Er blickte an sich herunter. Das lange Messer hielt er in der Hand, wie er damit am Abend eingeschlafen war, seine Finger waren steif geworden. Den Dunkelstab drückte er an die Brust, die Runen erwachten sanft pulsierend mit dem Tagesanbruch.
Zweifelnd starrte er den Stab an. Warum glühte er? Pen hatte doch gar nicht an seine Tante gedacht.
Dann wurde er auf einen riesigen Berg gesprenkelter Felsen aufmerksam, die vor ihm lagen. An diese Felsen konnte er sich nicht mehr erinnern, und er fragte sich, wie er sie hatte übersehen können, auch wenn es dunkel gewesen war. Es schien, als wäre eine Mauer aus dem Nichts aufgetaucht, eine große Barriere, die irgendwie nicht hierher gehörte.
Verwirrt starrte er die Felsen an.
Ein fenstergroßes Auge blinzelte einmal wie ein Fensterladen, der sich langsam schloss und wieder öffnete, und plötzlich begriff Pen, dass er angestarrt wurde.
»Schatten«, entwich es ihm.
Natürlich hatte er nie zuvor einen Drachen gesehen, und nicht nur er, niemand, den er kannte. Die meisten Arten von Drachen waren ausgestorben. Und jene, die es noch gab, waren entweder in die Verfemung geschickt worden, so wie dieser hier vor ihm, oder sie lebten abgeschieden in tiefen Höhlen unter Bergen oder in wilden Wäldern, wo sich niemals Menschen hinwagten. Aber er wusste, was Drachen waren und wie sie aussahen, und das Wesen vor ihm gehörte eindeutig in diese Kategorie.
Das Auge blinzelte erneut, der Drache senkte träge das schuppige Lid und hob es wieder.
Pen hielt den Atem an. Der Berg aus Felsen nahm Gestalt an. Mit Stacheln besetzte krumme Glieder endeten in Krallen von der Größe seines Beins. Schuppen, größer als Wolldecken, überzogen einen Körper, gegenüber dem selbst ein kleines Haus wie ein Zwerg gewirkt hätte. Knochenkämme zogen sich in parallelen Linien über den Rücken und den langen Schwanz. Der dreieckige Kopf mit der überkrusteten Schnauze, der dick gepanzerten Stirn und den stumpfen Hörnern lag zwischen den Vorderbeinen. Das war mit Abstand das größte Wesen, das Pen je gesehen hatte. So etwas Großes hätte er sich selbst in seinen wildesten Phantasien nicht vorstellen können.
Fasziniert wider Willen starrte er den Drachen an. Er fragte sich, was das Ungetüm machte und warum es ihn noch nicht gefressen hatte. Und ob der Drache genau das plante.
Plötzlich wurde er sich bewusst, dass der Drache ihn anschaute. Er beobachtete ihn durch die halb geschlossenen Lider mit verschlafenem, fast träumerischem Blick. Irgendwie wirkte er hypnotisiert, wie eine Katze, die sich zu einem Schläfchen hingelegt hat und ihren Tagträumen nachhängt. Dann begriff er, dass der Drache gar nicht ihn ansah.
Er betrachtete den Dunkelstab.
Oder genauer, die glühenden Runen.
Zuerst dachte Pen, er müsse sich irren. Denn wieso sollte der Drache an dem Stab und seinen Runen interessiert sein? Besaß dieses Wesen Intelligenz? Den Anschein erweckte es nun gar nicht. Aber vielleicht verstand es etwas von Magie und von Talismanen und erkannte in dem Dunkelstab das, was er tatsächlich war.
Dennoch konnte sich Pen das kaum vorstellen. So wie der Drache den Stab anstarrte, konnte er nicht hypnotisiert sein, sondern fand eher ein primitives Interesse an dem Stab. Pen schaute zu, wie das Licht über die Runen spielte, wie es sich über die Länge des Holzes hin- und herbewegte, wie es an Helligkeit zu- und abnahm, pulsierte und stetiger wurde und sich ständig veränderte. Der Drache schaute zu und war von der Bewegung des Lichts fasziniert, das von Rune zu Rune tanzte.
Pen wagte ein Experiment. Er nahm seinen Mantel, bedeckte die obere Hälfte des Stabs damit und verhüllte das Licht.
Im nächsten Augenblick fuhr der hornverkrustete Kopf in die Höhe, die dreieckige Schnauze schwenkte herum, und das Maul öffnete sich zu einem Zischen, das wie eine Explosion klang. Geschwärzte Zahnreihen wurden entblößt, zwischen manchen Zähnen hingen noch Fleischstücke, an anderen Stellen hatten sich Knochen
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