Die Magier von Tarronn (1) (German Edition)
wollte es nun genau wissen. Er hatte sich in den Drakonat verwandelt und saß mit geschlossenen Augen, aber hoch konzentriert, in Neris magischem Raum. Im Geiste rief er nach Horus. Seine Udjat lag in den geöffneten Händen und hatte sich stark erwärmt. Nach einigen Minuten ging von ihm ein grünliches Leuchten aus, das immer heller wurde, je weiter es sich ausbreitete. Langsam öffnete Hatik die Augen. Aus dem Licht schälte sich allmählich die hochgewachsene Gestalt eines Mannes hervor, der lächelnd auf Hatik zukam.
„Ich freue mich, zu sehen, dass es dir gut geht.“ Horus nahm Hatik gegenüber Platz.
„Ich danke dir, dass du gekommen bist.“ Hatik lächelte ebenfalls und wandelte sich in seine normale Gestalt zurück. „Ich möchte dir sogar ganz besonders danken. Mit deiner kleinen Information über die Menge des Atlamats haben wir bereits drei unserer Freunde in den Urzustand zurück versetzt.“
Horus schüttelte den Kopf. „Du bist unverbesserlich. Denkst du immer nur an andere?“
„Das liegt vielleicht an den Genen“, grinste Hatik harmlos.
Sein Gegenüber wirkte irritiert. „Äh, wie meinst du das?“
„Nun, Uräus hat mir da so eine interessante Information zukommen lassen …“
Horus war sichtlich nervös aufgesprungen. „Du hattest Kontakt zu Uräus? Bist du ganz sicher?“
„Ich hatte keinen Kontakt. Es ist mir aber in ihrem Auftrag gesagt worden.“ Hatik beobachtet Horus sehr genau. Der war vor ihm stehen geblieben und sah ihm tief in die Augen.
„Würdest du mir sagen, wer mit ihr Kontakt hatte? Das ist für Atlan nämlich fast unmöglich. Selbst wir haben selten die Gelegenheit, dass sie Fragen beantwortet.“ Horus fügte diese Worte fast flüsternd hinzu.
„Aber sicher kann ich das. Es war Merit-Amun.“
Horus wurde immer nervöser. „Meinst du Merit-Amun, die Tochter des Ramses II. und der Nefertari?“
„Ja natürlich, genau die meine ich.“
„Warst du etwa wieder in Ägypten?“
„Nein, sie hat es mir hier gesagt.“ Hatik lauerte regelrecht auf die Reaktionen seines Gastes.
Horus setzte sich wieder hin. „Pass auf, Hatik, ich weiß nicht, was ich von alledem halten soll. Sag mir einfach, was hier gespielt wird.“
„Okay, Wahrheit gegen Wahrheit. Warum macht es dich so nervös, dass wir mit der großen Kobra Kontakt haben?“
„Weil…weil – ich suche seit langer, langer Zeit meinen Sohn. Uräus ist die Einzige, die mir sagen könnte, wo er ist. Du warst die ganzen Jahre so eine Art Kind-Ersatz für mich. Ich glaube, eure Energien sind fast gleich. Vielleicht würde sie dir sagen, wo ich ihn finde. Ich verlor ihn damals, als wir die Pyramiden bauten, durch einen Unfall. Seine Seele muss noch auf der Erde sein. So sehr ich auch suchte, ich fand ihn nicht.“ Horus machte eine Pause.
Hatik sprach stattdessen weiter: „Ja, als das Hebegerät brach, wurde er unter einem riesigen Steinblock begraben. Eigentlich hatte er dir folgen wollen. Später fristete er sein Leben als Waisenkind – bis er Ramses und die Atlan Neri traf …“
Horus hatte atemlos zugehört. „Woher weißt du das alles? Etwa auch von Uräus?“
„Gut, du sollst es erfahren. Merit-Amun kam vor ein paar Monaten im Austausch gegen einen anderen Körper zu uns. Sie ist die Tochter von Ramses II und Neri, der Seherin der Atlan, die du als Nefertari kennst. Merit hat vor ein paar Tagen mit Uräus gesprochen und die nannte mich den Sohn des Horus . Das ist auch der Grund, weshalb ich heute nach dir rief. Ich will endlich wissen, wer mein Vater ist.“
Horus war wieder aufgesprungen. Er legte Hatik beide Hände auf die Schultern und sah ihn einfach nur an, zu keiner anderen Regung mehr fähig. Hatik zog vorsichtig sein Udjat aus dem Ausschnitt und hielt es Horus wortlos entgegen. Mit zitternden Händen nahm dieser das Amulett entgegen. Er begann zu schwanken, sodass der Tarronn ihn stützen musste. Er hob mehrmals zu sprechen an, ehe ihn Hatik überhaupt verstehen konnte.
„Mein Sohn. Du bist tatsächlich mein Sohn! Du – du – du hast deinen Replikator noch? Jetzt weiß ich auch, warum ich dich die ganzen Jahre nicht orten konnte.“ Horus’ Gesicht war kalkig grau geworden. Sogar das grüne Leuchten konnte dies nicht verbergen, deshalb führte Hatik ihn zu einem Stuhl.
„Vater …“, flüsterte er mit belegter Stimme.
„Mein lieber, lieber Junge … ich habe es ja nicht einmal gemerkt, als du das erste Mal als Drakonat vor mir gestanden hast … das ist unverzeihlich.“
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