Die Magier von Tarronn (1) (German Edition)
stocken, verlas er den Text. Ramses nickte seinem Großvater anerkennend zu. Raia legte Hatik väterlich die Hand auf den Kopf. „In dir steckt mehr, als man vermuten könnte. Pepi hat einen würdigen Boten gefunden. Wie wäre es, wenn du mit Ramses hinunter gehst und ihm etwas über dein Pferd erzählst? Du bleibst diese Nacht als mein Gast hier, ich möchte mehr über dich erfahren.“ Mit diesen Worten war Hatik für den Augenblick entlassen. Mit klopfendem Herzen folgte er dem muskulösen jungen Mann in den Hof und zu dessen größtem Erstaunen, begrüßte der wilde Hengst seinen kleinen Herrn mit Liebkosungen.
„Steig auf! Eine Runde um den Hof im Galopp!“
Hatik befolgte den Befehl. Geschickt schwang er sich auf Bintis Rücken, ließ die Zügel frei. Der Rappe flog wie ein Sandsturm dahin.
Ramses bewunderte die eleganten Bewegungen des Tieres, das glänzende Fell, auch die seidig schimmernde lange Mähne fand sein Gefallen.
„Er lässt also niemanden an sich heran. Dann versorgst du ihn wohl immer selber?“
„Ja, Herr. Ich schlafe sogar bei ihm im Stroh.“
Ramses sah den Knaben von der Seite an. „Du siehst aber nicht aus, als ob du ein einfacher Stallbursche wärst.“
„Es ist aber wahr. Du kannst Pepi fragen.“
„Ich glaub es dir ja. Es ist wohl so, wie mein Großvater schon sagte. In dir steckt mehr, als man vermuten kann. So, nun zeige ich dir den Stall, da kannst du dich mit deinem Pferd ausruhen. Die Küche ist gleich dort um die Ecke.“
Ruhe hatte Hatik auch wirklich nötig. Er fütterte Binti, dann rollte er sich zu dessen Füßen im Stroh zusammen und schon war er eingeschlafen.
Abends ließ ihn Raia rufen. Hatik wusch sich, ordnete seine Kleider, dann polierte er noch Pepis Halsschmuck auf Hochglanz. Ein Diener führte ihn schließlich. Herzlich wurde der Junge von Raias Gattin, Nebet-Tia, begrüßt. Er durfte zwischen dem Hausherrn und dessen Enkel Platz nehmen.
Mit großen Augen betrachtete er den Tisch, der unter der Last der verschiedenen Speisen fast verschwand. Noch nie in seinem Leben hatte er so viele verschiedene Früchte gesehen. Vorsichtig drehte er einen Granatapfel in der Hand. Wie sollte er bloß an den Inhalt kommen? Nebet-Tia reichte ihm ein lanzettförmiges Messer. „Wenn du ihn halbierst, kannst du die leckeren Kerne herauslöffeln.“
„Danke, Herrin. Ich habe noch nie solches Obst gesehen.“
„Dann greif ordentlich zu. Aber denke daran, der Abend ist noch lang. Du kannst in Ruhe alles kosten.“
Das ließ sich Hatik nicht zweimal sagen. Taktvoll warteten die Gastgeber, bis er seinen Hunger gestillt hatte, ehe sie ihn nach seinen Lebensumständen ausfragten. Hatik erzählte seine ganze Geschichte. Als er geendet hatte, fragte ihn Ramses. „Es ist also dein größter Wunsch, einmal den Pharao zu sehen?“
„Ja, Herr, das ist mein größter Wunsch.“
„Nun, vielleicht kann er dir sogar erfüllt werden. Du hast ja selbst gehört, dass der Wesir Paramessu von Haremhab als Nachfolger bestimmt wurde. Paramessu ist der Vater meines Vaters.“
Hatik fiel vor Schreck fast der Löffel aus der Hand. „Aber, das heißt ja ... dann bist du ja … ich meine … dann …“ Hatik bekam vor Aufregung keinen Satz zustande.
„Wenn die Götter es so wollen, dann wird das wohl einmal so sein.“
Hatik schaute ehrfürchtig Ramses an. Dieser lächelte milde. Hatik fiel auf, dass immer ein leichtes Lächeln in Ramses Mundwinkeln saß, was den jungen Mann äußerst sympathisch machte. Dabei schien er trotzdem eisernen Willen und Disziplin zu haben.
„Jetzt hast du ihn völlig verschreckt“, stellte Nebet-Tia fest.
Nach einer Weile hatte Hatik seine Gedanken wieder im Griff, wie Ramses erleichtert feststellte. Befürchtete er schon, der Kleine wäre völlig überfordert. Hatik hatte inzwischen zu Ramses volles Vertrauen gefasst. Er erzählte ihm, wie hart der Soldatenalltag im Außenposten in der Wüste war. Auch Raia hörte aufmerksam zu. Noch nie hatte er so einen genauen und vor allem uneigennützigen Bericht erhalten. Der Junge beschrieb einfach, was er täglich erlebte. Als Hatik zu später Stunde zu Binti ins Stroh kroch, saßen Raia und Ramses noch lange beisammen.
„Ich glaube, du solltest den Kleinen zukünftig etwas unter deine Fittiche nehmen.“
„Das sollte ich wohl tun, Großvater. Er ist ein erstaunliches Bürschlein. Ich glaube nicht, dass er in armen Verhältnissen geboren wurde. Ich habe zufällig sein Amulett gesehen. Da steckt sicher mehr
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