Die Magier von Tarronn (1) (German Edition)
Neferem warf ihm noch ein eingewickeltes Fladenbrot als Wegzehrung zu. Geschickt fing es der Knabe auf. Als der kleine Reiter das Tor passiert hatte, gab er seinem Tier die Zügel frei. Eine lange Staubwolke hinter sich herziehend, galoppierte er auf Binti-Amun davon. Neferem schaute dem Jungen, den er lieb gewonnen hatte, noch lange nach. Hoffentlich passierte dem Kleinen nichts. Erst als er die Götter um Schutz für den Knaben angerufen hatte, war er zufrieden. Hatik spürte kaum die Strapazen des Rittes. Die ihm übertragene Aufgabe, aber auch das Vertrauen seines Herrn, beflügelte ihn. Zudem lief Binti gleichmäßig und ausdauernd. Fast zwei Stunden, nachdem sie die Oase verlassen hatten, erreichten sie Auaris. Hatik legte seinen Burnus, der ihn in der Wüste vor Sonnenbrand geschützt hatte, zusammengerollt vor sich auf das Pferd. Dann fragte er sich zum Haus des Raia durch. Freundlich, ja fast ehrfürchtig bekam er Auskunft. Am Halfter führte er Binti in den geräumigen Hof des riesigen Anwesens. Sofort erschienen Haussklaven, die das Tier versorgen wollten. Dankend lehnte Hatik ab. Er ließ sich nur die Wasserstelle und ein schattiges Plätzchen für Binti-Amun zeigen. Ehrerbietig führte ihn ein anderer Bediensteter zu Raias Gemächern.
„Warte einen Augenblick, Herr, ich melde deine Ankunft.“
Hatik glaubte, sich verhört zu haben. Der Diener hatte tatsächlich Herr zu ihm gesagt. Schnell begriff er, dass ihm das Pektoral tatsächlich Tür und Tor öffnen half. Neugierig betrachtete er die hohen Säulen, die bemalten Wände, den meisterhaft ausgelegten Fußboden. In einer Nische entdeckte er eine Statue des Gottes Horus. Rasch trat er hinzu, um dem Gott für seine Hilfe zu danken. Schon war der Diener zurück, er führte Hatik einen angenehm kühlen Gang entlang und öffnete die schwere doppelflügelige Tür, die in eine andere Welt zu führen schien. Hatik konnte den Rücken eines hoch gewachsenen Mannes erkennen, der ein weißes Gewand trug, welches mit einem mit Edelsteinen besetzten Gürtel zusammen gehalten wurde. Die kunstvolle Lockenperücke verriet ihm, dass es der Hausherr sein musste. Ehrfürchtig, ein Knie auf den Boden gestützt, den Kopf gesenkt und die wertvollen Papyri in den erhobenen Händen, wartete Hatik. Langsam drehte sich der hohe Offizier der Streitwagentruppen um. Erstaunt betrachtete er den Boten, der so ganz anders war, als er erwartet hatte. Dem prachtvollen Streitross im Hof zufolge, hatte er einen muskulösen Soldaten erwartet, stattdessen kniete hier ein schmächtiger Knabe vor ihm. Das unverhohlene Interesse des Offiziers war geweckt.
„Erhebe dich.“
Hatik folgte dem Befehl. Als Raia die Hand ausstreckte, übergab er ihm mit einer tiefen Verbeugung die Dokumente.
Raia musterte sein Gegenüber von den Zehenspitzen bis zum Haarschopf. Einen Moment lang ruhte sein Blick auf dem Pektoral. Ein Zug des Erkennens, schien um seine Augen zu huschen. Dann wanderte der Blick weiter in das Gesicht des Jungen. Mit festem Blick hielt der Knabe der Musterung stand.
Gerade wollte Raia zum Sprechen ansetzten, als ein Streitwagen auf den Hof rollte. Kurz darauf wurde es hektisch. Binti schnaubte laut und bedrohlich. Der Offizier trat ans Fenster. „Was ist da unten los?!“
Ramses, der soeben eingetroffen war, rief: „Der schwarze Dämon wollte mir doch glatt den Schädel mit den Hufen einschlagen!“
Raia sah Hatik an. Er merkte, dass dem Jungen etwas auf den Nägeln brannte.
„Sprich!“
„Herr, das Pferd gehorcht nur mir. Auch darf nur ich es anfassen. Bitte sagt, dass man es in Ruhe lässt.“ Flehend sah Hatik Raia an.
Raia rief aus dem Fenster: „Versuche bitte nicht, das Tier zu berühren. Komm hoch. Hier erfährst du mehr.“
Kurz darauf betrat ein, kaum dem Knabenalter entwachsener, junger Mann den Saal. Hatik wurde ihm als Vertrauter von Pepi und gleichsam Herr des edlen, aber wilden Tieres unter dem Fenster vorgestellt.
Ramses, der Enkel von Raia, fasste Hatik an den Schultern, wobei er ihn einmal rundum drehte.
„Interessant! Du reitest also auf diesem Streitross. Du scheinst auch völlig heil und ganz zu sein. Respekt! Wer hat dir das Reiten auf diesem Dämon beigebracht?“
„Das haben das Pferd und ich allein gelernt, Herr.“
„So, so …“
Raia deutete seinem Enkel an, Platz zu nehmen. Er wandte sich zu Hatik, zeigte auf die Erste der durchnummerierten Rollen.
„Lies vor!“
Der Junge entrollte vorsichtig den Papyrus, fehlerfrei und ohne zu
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