Die Magier von Tarronn (1) (German Edition)
starr dalag. Atemlos schaute Raia zu, er kannte allerhand Heilmethoden der Ärztepriester, aber so etwas hatte er noch nie gesehen. Nach einer Weile nahm Neri die Katze unterhalb der Schultern zwischen beide Hände, hob sie langsam hoch. Leblos baumelte der Körper hin und her. Dann hielt sie den kleinen Kopf genau vor ihr Gesicht, blies warmen Atem auf das blasse Näschen und flüsterte: „Kehre wieder, Liris.“
Vorsichtig setzte sie das Kätzchen zurück auf Kiras Schoß. Liris streckte sich, gähnte herzhaft und begann, ihren Kopf an Kiras Wange zu reiben, als wäre nichts gewesen.
Raia dankte vielmals für die Heilung des Tieres. Schon, weil es die Lieblingskatze seiner Gattin war, lag ihm viel daran. „Möge euch der Segen Bastets immer beschützen“, flüsterte er erleichtert.
Während sich die anderen etwas im Hause ausruhten, ließen sich Neri, Safi und Hatik zum Hathor-Tempel führen. Das imposante Bauwerk empfing sie mit angenehmer Kühle. Im Haus des Horus , was der Name der Göttin bedeutete, fühlte sich Hatik heimisch, kaum dass er die Schwelle überschritten hatte. Ohne den Tempel je von innen gesehen zu haben, konnte er mit schlafwandlerischer Sicherheit alle Räume finden und erklären. Der Hohepriester der Göttin ließ ihn gewähren. Eine mystische Aura umschwebte die drei Fremden. Dem gelehrten Mann deuchte es, die Besucher wären von einem goldenen Leuchten umgeben. In ihrer Nähe fühlte er ein Kribbeln auf der Haut, wie es ihm sonst nur in Anbetung des Gottes Horus geschah. Als die fremde Frau ihre Arme um die steinernen Beine der Hathor schlang, geschah etwas Merkwürdiges. Über ihre Gesichtszüge legte sich das Antlitz der Göttin. Mit seltsam veränderter Stimme sprach sie: „Ich Neri, Merit-en-Mut, ersuche dich um Auskunft über Letan. Sprich, wenn du ihn und das Geschlecht der Drakon kennt.“
Zitternd schaute der Priester, der sich vor ihr zu Boden geworfen hatte, in das Gesicht der Göttergleichen. „Ich kenne niemanden, der Letan heißt, große Herrin. Auch von den Drakon habe ich noch nie gehört.“ Verzweifelt rang der Mann um Fassung, glaubte er doch, dass die Göttin seine Unwissenheit bestrafen würde.
„Erhebe dich, Priester der Hathor, schau mir in die Augen.“
Unter dem Bann der Stimme gehorchte er. Neri trat nahe an ihn heran. Sie las seine Gedanken, entdeckte viele Geheimnisse in seiner Seele, eine Spur von Letan fand sie nicht. Atemlos hatte Hatik die Verwandlung seiner Herrin erlebt, ungläubig die Reaktionen des Hohepriesters beobachtet. Langsam dämmert ihm, dass Neri über fast unbegrenzte Macht verfügen musste. Er fühlte aber auch, dass dieser Ort, dieses Heiligtum der Hathor, mehr sein musste, als ein prunkvolles Gebäude. Hier konnte er die Energien, die aus der Erde stiegen, fühlen. Neri hatte ihm von Kraftpunkten erzählt, so etwas schien sich hier zu befinden. Neugierig zog er sein Udjat unter dem Umgang hervor. Es strahlte gleißend auf, umhüllte seine ganze Gestalt mit goldenem Licht. Als er die Arme ausbreitete, schien es, als ob Horus persönlich ihm seine Lichtflügel geliehen hätte. Diesmal war es an seinen Begleitern, zutiefst erstaunt zu sein. Dass der Kleine solche Energien freisetzen könnte, hatten beide nicht geahnt. Um den völlig verängstigten Priester nicht noch mehr zu erschrecken, ließen die beiden Licht gewordenen Gestalten ihre Energie sinken. Bald standen sie völlig normal vor der Statue der Hathor. Jammernd hob der Priester die Hände empor: „Es tut mir Leid, hohe Herrin, es tut mir Leid …“
„Beruhige dich. Sei froh, dass du ihn nicht kennst, und hoffe, dass du ihn nie kennen lernen wirst.“ Mit diesen Worten verließ die geheimnisvolle Frau mit ihren beiden Begleitern den Tempel, einen Menschen zurücklassend, der mühevoll um Fassung rang. Der strahlende Sonnenschein vor dem Tempel wischte augenblicklich jeden Rest der eigenartigen Atmosphäre fort. Die drei Spaziergänger schlenderten durch das Städtchen, betrachten Monumente und erfreuten sich am Trubel des Basars. Hatik fielen einige Begebenheiten aus seinem alten Leben ein, nur Bruchstücke, aber er erinnerte sich gern. Denn es hatte schon einmal eine Zeit gegeben, in der es ihm gut ging, damals, als seine Eltern noch lebten. Das war aber schon zu lange her und er war noch zu klein, um sich an alles zu erinnern. Vielleicht war das ganz gut so. Zumindest vermisste er so nichts. Sein neues Leben war nicht einfach, aber es gefiel ihm. Besonders die letzten
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