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Die Maikaefer

Die Maikaefer

Titel: Die Maikaefer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
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nichts wichtig, Dagi aber nahm den Struwwelpeter und wollte das Buch nicht wieder loslassen.
    Bevor Onkel Otto die Wohnungstür von außen zuzog, warnte ich, dass Tante Kläre noch drinnen war, aber meine Mutter drängte, es sei keine Zeit mehr, auf sie einzureden.
    Dann rannten wir die Treppen hinunter, die Straße entlang, bis wir zu einer Menschenansammlung kamen. Dort quetschten wir uns mit ihnen in einen Treppenschacht, hinunter zu einem Keller oder Bunker. Die Sirenen hörten nicht auf, und der Himmel begann immer lauter zu werden. Das Gedränge war ruppig, und wenn ich nicht so stark gewesen wäre, hätte man mich zerquetscht. Meine Mutter rief immer wieder: »Halt dich an meinem Rock fest!« Sie hatte Dagi auf dem Arm und kämpfte sich bis zum Keller durch.
    Dort war es ziemlich dunkel, nur einige trübe Lampen flackerten. Es stank so, dass ich sofort dachte, hier kann ich pupsen, das merkt keiner. Ich pupste, und dann gab es an den Türen ein großes Geschrei, weil die, die drinnen waren, sie zumachen wollten, die von draußen aber noch hinein drängten. Als die ersten Bomben in der Nähe herunter kamen, schafften sie es, die Tür zu schließen.
    Mit der Explosion der Bomben flog die Tür wieder auf, Staub und Qualm bliesen herein, sodass ich meine Mutter und Dagi nicht mehr sehen konnte. Vielleicht hatten sie sich in der Explosion und dem Staub aufgelöst. Dieser Gedanke ließ mich schreien. Auch die Frauen um mich herum schrien, aber es gab auch alte Männer, die stöhnten. Unter allem lag ein Ächzen und Seufzen der Vielen. Als der Staub sich gelegt hatte und ich wieder sehen konnte, waren ein paar Frauen tot, doch es stellte sich heraus, dass sie nur die Besinnung verloren hatten. Meine Mutter war aus dem Nebel wieder aufgetaucht, konnte sich aber nicht um mich kümmern, weil Dagi kotzte, wie auch ein paar andere Kinder, denen ihre Mütter nun Tücher vor das Gesicht banden. Eine Frau schrie: »Einen Arzt, schnell einen Arzt, die Frau hier kommt nieder!«, und dann rief eine andere Stimme: »Es brennt, es brennt!«
    Daraufhin wollten alle hinaus, obgleich das Gebäude immer noch wackelte, denn Bomben fielen nach wie vor.
    Meine Mutter schreckte das nicht, sie wollte mit Dagi den Keller verlassen und rief mir zu: »Komm mit!«, aber das war nicht möglich, weil zu viele Leute vor mir am Boden lagen. Die Frau, die mir am nächsten war, hatte Schaum vor dem Mund und zuckte mit Armen und Beinen. Dennoch schaffte es meine Mutter, uns da herauszuzerren.
    Draußen heulten Sirenen und Feuerwehren, obwohl der Himmel nicht mehr dröhnte. Jemand sagte, es habe Entwarnung gegeben.
    Meine Mutter ging mit uns zurück zu dem Haus Nummer 47, aber Tante Eva und Onkel Otto waren nicht zu sehen.
    »Vielleicht sind sie tot«, sagte ich.
    Meine Mutter schüttelte unwillig den Kopf. »Warum sollen sie tot sein? Sie haben noch nicht mal Mittag gegessen.«
    Im ersten Moment verwunderte mich der Zusammenhang, aber dann spürte ich meinen Hunger. Es war diese heiße Fressgier, die mich so oft befiel.
    »Was gibt es denn zu essen?«, fragte ich.
    »Wir haben eingewecktes Pökelfleisch mitgebracht, das wird Tante Kläre machen.«
    »Mit Kartoffeln?« Kartoffeln hätte ich sogar zu Kuchen essen können. Jedenfalls Butterkartoffeln.
    Über der Stadt war eine Rauchwolke, und es roch stechend nach Verbranntem. Da wir keinen Schlüssel hatten und auf unser Klingeln niemand öffnete, lief ich herum und sammelte Stanniolpapierstreifen auf, die überall lagen. Dabei schaute ich, ob irgendwo ein zerbombtes Haus zu sehen war. Aber alle Häuser in der Straße waren unversehrt. Es wunderte mich nicht nur, sondern gab mir ein Rätsel auf, denn die Erschütterungen im Luftschutzkeller waren so stark gewesen, dass ich bei jedem Einschlag gemeint hatte, die Bombe wäre in unser Haus gefallen und wir würden nun alle geröstet werden.
    Als Onkel Otto und Tante Eva kamen, erzählten sie, dass eine Maschine über der Stadt abgestürzt war und die Leute die drei Besatzungsmitglieder gefangen und auf dem Sportfeld aufgehängt hätten.
    Tante Eva war darüber empört und sagte mehrere Male: »Die waren so jung wie Wilhelm und Werner!« Das waren ihre beiden Söhne, und als meine Mutter fragte, wie es ihnen gehe, sagte Onkel Otto, sie seien an der Ostfront.
    Während wir die Treppe hinaufgingen, zählte Onkel Otto alle Straßen und Gebäude auf, die bei diesem Angriff getroffen worden waren. Ich fragte ihn, warum das Haus, in dem wir uns versteckt

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