Die Marionette
runzelte die Stirn. »Unser Kontakt in Deutschland hat nichts von ihm gesagt … Sie kennen ihn?«
»Ich kenne ihn«, bestätigte Martinez.
Jespers nickte vielsagend. »Und Sie glauben, dass es Probleme geben wird?«
»Mayer ist sicher nicht zufällig hier.«
»Ich treffe Senator Reynolds in einer halben Stunde. Vielleicht kommen Sie dazu, dann können wir die Angelegenheit besprechen«, schlug Jespers vor.
Martinez beobachtete Samuel Jespers nachdenklich, als dieser sein Büro verließ, noch ein paar flüchtige Worte mit Barrett wechselte und dem jüngeren Mann dabei in jovialer Geste auf die Schulter klopfte. Wie gut war die Kommunikation unter den Deutschen? Was wusste Mayer über die Geschäfte, die unter der Hand liefen, was genau über die Rolle, die Gerwin Bender dabei spielte?
***
Kundus, Afghanistan
Gerwin Bender spürte Mayers prüfende Blicke. Nur ungern gestand er sich ein, dass ihn die Anwesenheit des BND -Mannes nervös machte. Oder war es die Müdigkeit, die an ihm zerrte? Seit ihrem Abflug in Deutschland hatte er kaum geschlafen. Zu viel stand auf dem Spiel. Sogar Juliane hatte ihn gewarnt. Er konnte sich nicht erinnern, wann sie es das letzte Mal getan hatte. Sie hielt sich aus allem heraus, was seine Arbeit betraf, und folgte damit einer stillen Übereinkunft zwischen ihnen, die ihr Eheleben seit drei Jahrzehnten prägte. Wenn er nach Hause kam, war sie da. Sie kümmerte sich um alles, von der Organisation des Haushalts über die Erziehung der Kinder, der Planung der gemeinsamen Reisen bis zu den Einladungen für wichtige Geschäftspartner. Dabei redete er ihr ebenso wenig hinein wie sie ihm. Sie brachen so selten mit dieser Übereinkunft, dass er die Male im Laufe der vergangenen dreißig Jahre an einer Hand abzählen konnte. An diesem Morgen vor seiner Abreise nach Kabul war sie jedoch ins Bad gekommen, als er sich rasierte, und hatte ihn im Spiegel angesehen. Sie war im Morgenmantel gewesen, ungeschminkt, das kurze Haar feucht von der Dusche. Eine sportliche, attraktive Frau, selbst Anfang sechzig noch. »Du siehst nicht gut aus«, hatte sie gesagt und ihre Finger über seinen Arm wandern lassen. »Ist es das wirklich wert?« Er hatte ihr keine Antwort gegeben. Aber ihre Frage klang in ihm nach, als er jetzt gut fünftausend Kilometer entfernt in einer verrauchten Soldatenkneipe saß, die ausgerechnet »Lummerland« hieß, in die erhitzten Gesichter der Männer um sich herum blickte und erneut das leise Ziehen in seiner Herzgegend spürte, das ihn seit Beginn der Krise quälte: War es das wert?
Er wusste, er war zu weit gegangen, hatte zu viel riskiert, um loszulassen. Er hatte noch nie aufgegeben. Warum jetzt? Nur weil er in zwei Jahren seinen Vorstandsposten sowieso räumen würde? Er gehörte noch jener alten Riege Führungskräfte an, die nicht nach den heute üblichen acht Jahren den Betrieb wechselte. Sie waren Dinosaurier, vom Aussterben bedroht.
Er hatte mit dem Gedanken gespielt, mit Juliane über alles zu sprechen an diesem Morgen im Bad. War es wirklich erst heute Morgen gewesen? Er hatte sich vorgestellt, wie sich ihre Augen vor Entsetzen weiteten. Sie suchte bereits nach einer Villa in Berlin, war fest entschlossen, Hamburg den Rücken zu kehren, sobald die Larenz-Werke für die Familie Bender Geschichte waren. »Für einen Posten im Aufsichtsrat musst du nicht vor Ort sein«, hatte sie bemerkt. Juliane hatte andere Ziele, andere Lebensinhalte. Trotz seiner Anspannung musste er lächeln, wenn er daran dachte, wie stolz sie darauf war, dass ihr Handicap beim Golf besser war als seines. All ihre Pläne würden zerplatzen wie eine Seifenblase, wenn er jetzt aufgab.
Mayer stand mit einem Mal neben ihm. »Wir müssen aufbrechen«, bestimmte er. Der BND -Mann bewegte sich so selbstverständlich in dieser fremden Umgebung, als wäre er hier zu Hause. Bender hatte seinen besten Kontakt in Berlin darauf angesetzt, mehr Informationen über Eric Mayer zusammenzutragen. Was er bisher erhalten hatte, war zu dürftig, um vernünftig damit zu arbeiten. »Ich weiß, dass er beim BND ist«, hatte er geantwortet, als sein Gesprächspartner ihn auf die Schwierigkeiten hingewiesen hatte. »Zahlen Sie gut für die Informationen, dann fließen sie auch.« Und er hatte eine Summe genannt, die seinen Kontakt nach Luft schnappen ließ. »Ich will wissen, was er gemacht hat, bevor er zum BND gegangen ist, welche Schulen er besucht hat, aus welchen Verhältnissen er stammt – einfach alles.«
Er
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