Die Marionette
nickte Mayer zu, stellte sich noch einmal für ein letztes Foto mit den Soldaten auf, dann waren sie draußen. Die Sonne stand noch immer hoch am Himmel, und es war heiß und staubig auf dem Platz, wo die Hubschrauber auf sie warteten. Die Rotoren drehten sich bereits. Bender lief geduckt auf einen der Helikopter zu, Staub wirbelte auf und setzte sich in seinem Mund und seiner Nase fest. Bender unterdrückte einen Hustenreiz, spürte, wie sein Brustkorb erneut eng wurde. Jemand griff nach seinem Arm in dem Moment, als er stolperte. Es war Mayer.
Der Flug rauschte an Bender vorbei, ebenso die anschließende Fahrt ins Zentrum von Kabul. Als er am frühen Abend endlich die Tür seines Hotelzimmers hinter sich ins Schloss fallen ließ, empfand er die klimatisierte Stille wie eine Erlösung. Seine Sicherheitskräfte hatten den Raum durchsucht, im Wechsel würden sie vor seiner Tür die Nacht über dafür sorgen, dass er ruhig und ungestört schlafen konnte. Er warf sein Sakko über einen Stuhl und löste die Krawatte. Zog seine Schuhe aus. Zahlreiche Nachrichten waren auf seinem Blackberry eingegangen. Er überflog sie, während er sein Hemd aufknöpfte. Jemand hatte mehrfach versucht, ihn zu erreichen. Nachdenklich betrachtete er die Nummer. Er hatte den Finger schon auf der Rückruftaste, drückte sie aber nicht. In diesem Fall war es besser, einen anderen Kommunikationsweg zu wählen.
Der Sicherheitsbeamte vor seiner Tür sah erstaunt auf, als Bender Augenblicke später auf den Flur trat. »Ich muss noch einmal runter in die Lobby«, erklärte er knapp.
Der Mann forderte über sein Headset Verstärkung an, die gleich darauf aus dem Zimmer nebenan auftauchte. Zu dritt betraten sie den Fahrstuhl.
In der Eingangshalle des Hotels herrschte trotz der späten Stunde noch reges Treiben. In einer Ecke, abgetrennt vom übrigen Raum, standen einige Terminals mit Internetzugang. Bender steuerte darauf zu. Der Anrufer auf seinem Mobiltelefon schien seine Rückmeldung zu erwarten. Er war online und antwortete sofort:
Es gibt Probleme. Wir müssen uns treffen. Ich bin hier in Kabul.
Bender starrte auf die Buchstaben auf dem hellen Schirm. Ein Treffen vor Ort war in vielerlei Hinsicht gefährlich.
Was ist passiert?
Wir haben einen Worst Case.
Bender schloss für einen Moment die Augen und kämpfte um seine Beherrschung. Ein schwerwiegender Vorfall.
Wie konnte es dazu kommen?,
gab er ein, bremste sich aber im letzten Moment, bevor er auf Senden drückte. Dies war weder der Ort noch das Medium, näher ins Detail zu gehen.
Wo treffen wir uns?,
schrieb er stattdessen.
Die Antwort kam schnell.
Auf dem Militärstützpunkt in Bagram. Bei deinem morgigen Besuch.
Bender runzelte mehr als irritiert die Stirn. Senator James Reynolds war gut informiert. Zu gut für Benders Geschmack. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war kurz nach achtzehn Uhr.
Können wir uns jetzt treffen?,
schrieb er und klopfte nervös mit dem Finger auf die Tastatur, während er auf die Antwort wartete. Diesmal dauerte es so lange, dass Bender schon befürchtete, Reynolds hätte sich bereits ausgeloggt. Doch dann überflog Bender erleichtert Reynolds’ kurze Replik.
»Es hat sich kurzfristig noch ein Termin ergeben«, informierte er die beiden Sicherheitsmitarbeiter, die sich dezent in die Lobby zurückgezogen hatten. »Wir müssen sofort aufbrechen. Kümmern Sie sich bitte um ein Fahrzeug.«
Einer der beiden Männer zog ein Telefon aus seiner Brusttasche. »Ich informiere Eric Mayer«, bemerkte er. »Wo geht es hin?«
»Ich glaube nicht, dass wir Herrn Mayer wegen dieses kurzen Ausflugs behelligen müssen«, erwiderte Bender. Widerwillig ließ der Mann sein Mobiltelefon wieder in der Tasche verschwinden.
Das Treffen mit Reynolds dauerte nicht lange. Schon bei der Begrüßung war dem Senator die Anspannung anzumerken, und Bender begriff sehr schnell, warum.
»Es tut mir leid, ich hatte keine Wahl«, raunte Reynolds ihm zu, als zwei weitere Männer, die sich als Mitarbeiter der CIA auswiesen, den Raum betraten. Bender hatte sich die ganze Zeit über gefragt, warum Reynolds nach Afghanistan gekommen war. Trotz seiner allseits bekannten Ängste vor solchen Reisen. Jetzt wusste er es.
»Das ist nicht Ihr Ernst«, erwiderte er und blickte fassungslos in die Gesichter der drei Männer, die ihm gegenübersaßen. Die Amerikaner wollten den Auftrag über die Ausrüstung der afghanischen Sicherheitskräfte,
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