Die Mars-Stadt
benutzerfreundliches System. Die
Hardwarekomponente bestand aus einem Headset, das aufnahm, was er
sagte und hörte und es mittels Kurzwellenfunk an eine
Relaisstaion übermittelte. Die Vorschläge wurden ihm
ins Ohr geflüstert oder über die Kontakte
eingespielt.
Kurz nach neun störte ihn Tamara beim Studium der
Präzedenzfälle und Argumente.
»Reid hat seine Hütte verlassen«, teilte sie
ihm mit.
Wilde löschte blinzelnd die Anzeige.
»Was macht er?«
»Schlendert mit seinen Freunden umher, trinkt Kaffee und
unterhält sich mit den Leuten – und mit den
Übertragungsrobots der Fernsehstationen.«
»Ich glaube, ich gehe auch raus«, sagte Wilde.
»Ich hätte auch nichts dagegen, mal mit ihm zu
reden.«
Tamara lächelte sarkastisch. »Ein bisschen
spät, um sich gütlich zu einigen.«
Wilde erhob sich. »Es ist nie zu spät«, sagte
er. »Aber ich mache mir keine großen Hoffnungen! Ich
kann es bloß nicht erwarten, ihn zu sehen.«
Tamara schwieg einen Moment. Wilde steckte sich eine Zigarette
an.
»Ich hätte dich vorwarnen sollen«, meinte
Tamara. »Ich habe gestern mit ihm gesprochen, als er mich
angerufen hat, und… obwohl ich ihn bislang bloß aus
den Nachrichten und so kannte, fand ich ihn im persönlichen
Gespräch ausgesprochen… ich meine, er ist irgendwie
so präsent, weißt du. Du wirst ihn vielleicht
ein bisschen… einschüchternd finden.«
Wilde straffte sich mit einem rauen Lachen.
»Ich habe ihn dabei beobachtet, wie er mir beim Sterben
zugesehen hat«, sagte er. »Er kann mich nicht
einschüchtern.«
Sie traten gemeinsam aus der Hütte. Tamara schritt
breitbeinig aus, die große Pistole im Holster deutlich
sichtbar. Wilde schlenderte eher, in der einen Hand den Kaffee,
in der anderen eine Zigarette. Tau funkelte im Gras. Über
den kleinen Grüppchen plaudernder oder in ernsthafte
Unterhaltungen vertiefter Personen kondensierte der Atem in der
kühlen, feuchten Luft. Einige der Hütten hatten
Verkaufsstände geöffnet, an denen jedoch nur
Gegenstände des täglichen Bedarfs feilgeboten wurden.
Weder Speisen noch Getränke beeinträchtigten die
Würde von Talgarths Gerichtshof.
Wilde wandelte zwischen den Grüppchen einher und winkte
den wenigen bekannten Gesichtern zu, dann begab er sich in die
Mitte des Platzes. Arbeiter und Robots brachten gerade über
dem Podium einen Baldachin aus roter Leinwand an. Darunter, in
der Mitte des Podiums, stand ein Klappstuhl aus hellem Holz und
zerschlissenem grauem Stoff, rechts davon ein kleiner Tisch. Auf
dem Tisch standen ein Glas, eine Flasche und ein Aschenbecher,
daneben lag ein Hammer.
Wilde betrachtete das Arrangement eine Weile, dann wandte er
sich lächelnd ab. Plötzlich blickte er in die Kamera
eines Nachrichtenrobots. Er ähnelte dem intelligenten Robot
mit den Insektenbeinen, dem sie auf der Kreuzung begegnet waren,
doch für gefährlichere Vorrichtungen ließen die
zahlreichen Mikrofone und Objektive keinen Platz.
Die Objektive dienten nicht bloß der Aufnahme. Als die
Maschine auf ihren Insektenbeinen anmutig einen Schritt
zurück machte, verblüffte sie Wilde mit der Projektion
des blonden Mädchens, das im Fernsehen die Nachrichten
verlesen hatte. Es stand rechts neben der Maschine im Gras.
»Sieht ganz real aus«, flüsterte Wilde Tamara
zu, »gar nicht wie ein Hologramm…«
»Das liegt an den Kontakten«, zischte Tamara,
während sie die Zähne tapfer in die Kamera bleckte.
»Der Gerichtskanal!«, sagte das Mädchen
munter. Die Stimme kam aus den Lautsprechern der Maschine, was
ein wenig verstörend wirkte. »Guten Morgen,
hochverehrter Mr. Wilde!«
»Guten Morgen«, sagte Wilde und lächelte sie
an. Seine Zigarette erlosch zischend im Gras.
»Schau in die Kamera«, flüsterte
Tamara. Das virtuelle Bild des Mädchens flitzte
augenblicklich vor die Kamera, wo es in der Luft verharrte.
»Möchten Sie einen Kommentar abgeben, hochverehrter
Mr. Wilde?«
»KEINE EINZELHEITEN«, riet MacKenzie.
»Ja«, sagte Wilde. »Sie brauchen mich nicht
mit ›hochverehrter Mr.‹ anzusprechen… meine
Dame. Ich heiße Jonathan Wilde, und meine Freunde nennen
mich ›Jon‹.« Sein strahlendes Lächeln
drückte aus, es wäre ihm eine Ehre, sie dazuzählen
zu dürfen; dann hüstelte er und sagte in
förmlicherem Ton: »Ich möchte keinen Kommentar zu
dem Fall abgeben, doch ich mache mir Sorgen wegen der
Schlussfolgerungen, die einige weniger verantwortungsbewusste
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