Die Mars-Stadt
einzuordnende Maschinen werden überrollt. Die Monitore
liefern nun ein Rundumbild der Umgebung, und was man darauf
sieht, ist erschreckend.
Dee blickt Wilde und die andere Version von Wilde in der
illusionären Fahrerkabine an. Sie lässt den Blick
erstaunt vom älteren Wilde zum jüngeren schweifen. Sie
lächelt ihn zaghaft an.
»Ich sehe schon Gespenster«, sagt er. »Du
bist… Es ist eigenartig, dich endlich betrachten zu
können.« Er lacht auf. »Ohne dass du vor mir
wegläufst. Ich weiß, du bist nicht Annette, aber
– es macht dir doch nichts aus, wenn ich dich ansehe,
oder?«
»Ist schon in Ordnung«, antwortet sie. »Ich
versteh dich.«
Sein Lächeln macht vertraulicher Verwirrung Platz.
»Wer ist die Frau vorne bei… Jay-Dub?«
»Sie heißt Meg«, flüstert Dee,
»und eigentlich ist sie keine Frau.«
Meg wendet sich um. »Ich hab’s gehört«,
sagt sie über die Schulter hinweg. »Glaub ihr kein
Wort. Ich bin ebenso weiblich wie sie, Jon.«
»Sie ist ein richtig scharfer Typ!«, ruft der
andere Wilde nach hinten.
Ax bemerkt das ein wenig inzestuöse Geplänkel,
blickt zu Tamara auf und verdreht vorwurfsvoll die Augen. Tamara
bekommt das mit und wendet schuldbewusst den Blick von Wilde und
Dee. Ax zappt weiter durch die Nachrichtenkanäle.
»Wie viel Zeit bleibt uns noch?«, fragt Wilde.
»Talgarth kann Reid und dessen Leute doch nicht auf Dauer
einsperren, oder?«
»Nein«, antwortet Ax, abermals aus seiner Trance
erwachend. »Reid ruft Verstärkung herbei, ruft andere
Gerichte an und macht überhaupt eine Menge Wirbel. Ich
schätze, Talgarth wird ihn in spätestens einer halben
Stunde ziehen lassen.«
»Und dann setzt er uns nach?«
Jay-Dub zuckt die Achseln, nimmt die Hände vom
imaginären Steuer und schwenkt sie umher, was Dee als
bedrohlich empfindet, obwohl sie weiß, dass es das nicht
ist. »Er ist jetzt schon hinter uns«, sagte er.
»Er – oder seine Schutzagenturen –
verfügen über ein paar Flugzeuge und zumindest einen
Anteil an einem Aufklärungssatelliten, und wenn sie uns
momentan vielleicht auch nicht sehen können, befinden wir
uns doch in Schussweite. Allerdings bezweifle ich, dass er aktiv
werden wird, bevor er weiß, wie die politischen und
juristischen Würfel fallen werden. Es sei
denn…«
Seine Aufmerksamkeit wird von einem plötzlich
auftauchenden Hindernis in Anspruch genommen.
»Festhalten!«
Das Raupenfahrzeug bremst, schlingert, macht geradezu einen
Satz über einen brennenden Abfallhaufen auf der Straße
hinweg.
»Es sei denn, was?«, fragt Dee, als sie den Ruck
weggesteckt hat.
»Es sei denn, er erfährt, dass du bei mir
bist«, antwortet Jay-Dub. »Erinnerst du dich noch an
die Kopfgeldjäger, die dich gejagt haben? Sie trugen schwere
Verbrennungen davon, haben aber überlebt und werden sich
vollständig wieder erholen.« Er grinst Wilde oder Dee
über die Schulter hinweg an. Sie ist sich nicht sicher, wer
diesmal die Zielscheibe seiner Ironie ist. »Erstaunlich,
wozu die Medizin heutzutage imstande ist. Sobald sie den Schock
überwunden haben und ihnen das Gesicht nachgewachsen ist,
werden sie reden. Über die Flüchtlinge, die von einem
Robot gerettet wurden.«
Wilde blickt stirnrunzelnd in die Runde. Dee hat bereits
verstanden, kann es den anderen aber noch nicht
erklären.
»Was wird Reid dann tun?«, fragt Wilde.
Jay-Dub kümmert sich wieder ums Steuer, sei es aus
Notwendigkeit oder weil ihm danach ist.
»Er will uns vernichten«, sagt er. »Und zwar
um jeden Preis.«
Und deshalb geben wir Fersengeld, wie man so sagt.
Das Raupenfahrzeug fährt in einen feuchten Tunnel
unterhalb des Kanals ein, auf der anderen Seite des Fünften
Viertels. Es hält an, damit Dee, Ax, Tamara und Wilde
aussteigen können. Dee ist die letzte. Auf der
Ladefläche öffnet sich eine Luke, und eine der kleinen
Krabbelmaschinen rollt herbei und überreicht ihr eine
luftdicht versiegelte Plastikbox. Dee steckt sie in die
Handtasche.
»Leb wohl«, sagt Meg.
»Leb wohl«, sagt Jay-Dub, der ältere Wilde.
Er bemerkt ihre Tränen, grinst sie an und kneift ein Auge
zusammen.
»Es ist gar nicht so schlimm«, meint er.
»Ich war schon mal da, und es gibt dort nichts, wovor man
Angst haben müsste.«
Dee stolpert hinaus. Die Heckklappe gleitet zu, und das
Raupenfahrzeug beschleunigt und schießt so schnell auf das
andere Tunnelende zu, dass bestimmt niemandem auffällt, dass
es überhaupt angehalten
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