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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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Bett. Sie
ließ die Musik weiterlaufen. Es fiel uns kaum auf, als der
Rock von Marschmusik abgelöst wurde, doch anschließend
lagen wir schweigend da, und plötzlich dröhnte die
Meldung durch die Wohnung, der Flughafen sei vorübergehend
geschlossen worden.
    Uns beiden war klar, was das bedeutete. Militärmusik und
geschlossene Flughäfen gingen für gewöhnlich der
Erklärung voraus, das Land sei gerettet worden. Irgendjemand
hatte die Würfel rollen lassen. Auch für mich wurde es
Zeit, tätig zu werden, bevor Straßensperren errichtet
wurden – oder bevor Myra mich zu ihrem und zu meinem Schutz
der Polizei auslieferte.
    Ich streifte ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    »Hast du Lust auf eine Zigarette?«, fragte ich
lächelnd.
    »Mein Gott, ja.«
    »Ich hab welche im Jackett«, sagte ich, setzte
mich auf und langte zum Fußende des Betts.
    »Nein, nicht«, sagte Myra. Sie schlug die
Steppdecke zurück und fasste mich beim Arm. »Du
solltest mal unsere probieren. Wirklich.«
    Sie lächelte mich an. Hatte sie geglaubt, ich wollte eine
Waffe zücken? Wenn ja, dann ging sie davon aus, dass sie
immer noch in meinem Jackett war. Myra hatte sie darin
gespürt, als wir uns in der Diele umarmt hatten, und sie
hatte nicht mitbekommen, dass ich sie in der Dusche abgelegt
hatte.
    Sie beugte sich zum Nachttisch vor, öffnete die
Schublade. Ich ließ sie keinen Moment aus den Augen, und
sie ließ meinen Arm nicht los, während sie in der
Schublade kramte und eine Packung Zigaretten hervorzog. Wir
rauchten in nachdenklichem Schweigen. Vom starken Tabak wurde mir
schwindelig. Ahnte sie, dass ich etwas ahnte?
    Ich drückte die Zigarette aus, zwinkerte ihr zu und sagte
ein wenig zu laut: »Myra, hättest du Lust, mich ins
Hotel zu fahren?«
    Sie erwiderte mein Grinsen und sagte, ebenfalls an die
unsichtbaren Lauscher gewandt: »Kein Problem.«
    Ich kleidete mich bis aufs Jackett an, bückte mich, um
den Reißverschluss meiner Reisetasche zu schließen,
und sagte: »Ach, ich hab das Handtuch in der Dusche
gelassen.«
    Ich beugte mich in die Duschkabine hinein, nahm die Pistole an
mich, drehte mich um…
    Mein Fuß erreichte die Nachttischschublade eine Sekunde
vor ihrer Hand und knallte sie zu. Während sie
zurückzuckte, öffnete ich die Schublade wieder und nahm
die Pistole heraus.
    Myra saß mit kalkweißem Gesicht stocksteif da und
drückte die Steppdecke schützend an sich.
    »Ich bin fertig«, sagte ich, steckte ihre schwere
Automatik in die Jacketttasche und legte mir das Jackett
über den Arm. »Sobald du angezogen bist, können
wir aufbrechen.«
    Als sie sich angekleidet hatte und wir wieder im Wohnzimmer
waren, langte sie beiläufig nach ihrer Handtasche, doch ich
kam ihr zuvor. Ich zog eine weitere Pistole hervor, die noch
kleiner und leichter war als meine eigene, warf ihr den
Schlüsselbund zu und ruckte mit dem Kopf Richtung Tür.
Der schwarze Skoda stand noch immer einsam und allein auf der
Straße.
    Gemäß meinen wortlosen Anweisungen öffnete sie
die Beifahrertür und rückte auf den Fahrersitz. Ich
stieg ein und schloss die Tür. Sie betätigte die
Zündung, worauf Motor und Heizung augenblicklich ansprangen.
Das war auch gut so – ich fror nach den paar Schritten im
Freien.
    Sie wandte sich mit Tränen in den Augen zu mir herum.
    »Jon«, sagte sie, »was hast du vor? Ich habe
dir vertraut. Arbeitest du für Reid?«
    »Wie ich sehe, machst du dir keine Sorgen, dein Wagen
könnte verwanzt sein«, bemerkte ich. »Ich
glaube, du hast auch keine Wanzen in der Wohnung. Fahr
los.«
    Ihre Schultern sackten herab. »Schon gut, schon
gut«, sagte sie. »Wohin?«
    »Nach Karaganda.«
    »Was?« Ihr Mund klappte auf. »Bis dahin sind
es einige hundert Kilometer. Semipalatinsk liegt
näher.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Halt den Mund
und fahr!«
    Bis zur Grenze waren es auf der Straße nach Karaganda
bloß fünfzig Kilometer, und von der Unterhaltung mit
den KPF-Kadern vom Vorabend her wusste ich, dass die
größere kasachische Republik dort einen Grenzposten
unterhielt, die ITWAR jedoch nicht.
    Myra legte den Gang ein, und der Wagen setzte sich in
Bewegung, während der erste Schnee des Tages zu fallen
begann.
    Myras Story hatte mich einfach nicht überzeugt. Wenn sie
unter Überwachung stand, war man über meinen Besuch
informiert. Wenn sie bei den Behörden in Ungnade gefallen
war, würde es Verdacht erregen, dass sie Kontakt mit mir
aufgenommen

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