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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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falteten sich immer rascher ineinander, bis sich ein schwarzer
Kreis öffnete wie eine Pupille. Erst zweihundert Meter im
Durchmesser, dann vierhundert, achthundert, eine Meile: Dann riss
an einer zufälligen Stelle am Rand der Raum auf. Im
nächsten Moment verwandelte sich dieser eindimensionale
Riss, dieser gestreckte Punkt, in einen vom Universum
losgelösten Kreis.
    Das Visser-Price-Wurmloch wurde wie ein Seifenlaugenfilm in
einem Ring von der nichtexotischen Malley-Materienstruktur
ringsumher an Ort und Stelle gehalten. Vollkommen still halten
konnte man es nicht:
    Gravitationseffekte und die Auswirkungen der
Unschärferelation bewirkten, dass der Rand lediglich auf
einen Zentimeter genau lokalisiert werden konnte. Diese
vorhergesagte Ungenauigkeit führte zu einem unerwarteten,
trivialen, aber eindrucksvollen Effekt: Das Sternenlicht wurde am
Rand in Spektralfarben aufgebrochen.
    Jetzt ging es im Tempo der Makros weiter, nicht in dem
unseren. Der regenbogenfarbene Ring rund ums Malley Mile teilte
sich in zwei überlappende Ringe auf. Der neue Ring trennte
sich ab, zunächst ganz langsam. In der Mitte dieses Rings
faltete sich ein Teilstück des von uns erbauten Gebildes
zusammen und entfaltete sich anschließend zu einer dunklen,
parabolischen Blüte: das Schiff. Ich hatte den Eindruck, es
vibriere aufgrund der Verzerrungen des Raums; sicher war ich mir
nicht. Das Schiff war durch einen kegelförmigen Kabelstrang
mit dem zweiten Kreis verbunden, an dessen Spitze es reglos
wartete.
    Die Atmosphäre des Jupiter brodelte in
Äquatornähe an mehreren Dutzend Stellen, worauf sich
rund um den Planeten Tornados zum Ring emporschlängelten.
Der Ring leuchtete auf, Millionen Beschleuniger schickten die
abgetrennte Materie auf einen rasenden Kreiskurs. Nach einer
Weile flammte in unserer Mitte eine weiße Linie auf, die
vom Ring zum Schiff reichte.
    Das Schiff und der zweite Kreis schossen davon. In
Sekundenschnelle hatte das Schiff die Reichweite meiner
Instrumente verlassen. Jetzt schien es so, als dehnte sich die
weiße Linie zum ersten Ring aus, wo sie zum Stillstand kam.
Jedoch bloß aus unserem Blickwinkel betrachtet: Der
Materiejet trat augenblicklich an der anderen Seite des Wurmlochs
aus, das sich mit jeder Sekunde weiter von uns entfernte, und
speiste so die Schiffstriebwerke.
    Er beschleunigte die Sonde und mit ihr die andere Seite des
Wurmlochs im Bruchteil einer Sekunde auf Lichtgeschwindigkeit.
Beide Seiten des Wurmlochs hielten Kontakt – zwischen ihnen
gab es buchstäblich weder Raum noch Zeit. Unser Ende des
Wurmlochs existierte innerhalb des Bezugsrahmens des Schiffes und
nicht innerhalb des unseren.
    Für einen Beobachter an Bord des Schiffes würde
aufgrund der relativistischen Zeitdehnung die Jahrhunderte
währende Reise zu Tagen schrumpfen – bis ihm
irgendwann, je mehr sich seine Geschwindigkeit der
unüberwindbaren Ewigkeit des Photons annäherte,
Millionen Jahre wie Minuten und schließlich Milliarden
Jahre wie Sekunden erschienen. In etwa dreißig
Schiffsjahren würde es den Rand des bekannten Universums und
damit den Wärmetod oder den Urknall erreicht haben.
    Und die ganze Zeit über würde unsere Seite des
Wurmlochs wie die dem Schiff zugewandte Seite an Ort und Stelle
und in der Zeit verharren. Wir hatten ein Tor zu den Sternen
gebaut – und zur Zukunft. Wenn wir wollten, konnten wir uns
in dreißig Jahren ans Ende der Zeit begeben.
     
    Meg, der Sukkubus, saß schmollend auf dem Sofa,
während ich von einem Kanal zum nächsten zappte. Ich
achtete nicht auf ihre unübersehbar zur Schau gestellte
Ungeduld und die von ihr ausgesandten Schwaden aphrodisierender
Pheromone; sie ist doch bloß eine Fickmaschine, sagte ich
mir. Seit dem Start der Sonde vor zwei Tagen hatte das
Arbeitstempo nachgelassen, und das Fernsehen brachte Nachrichten
und Unterhaltung. Die Nachrichten wirkten eigentümlich steif
und selbstgestrickt: Man sendete Solarwetterberichte, Interviews
mit rehabilitierten Besatzungsmitgliedern – wie man uns nun
nannte – und Berichte über die großartige
Arbeit, die wir leisteten. Bei den Unterhaltungssendungen
handelte es sich um Filme, Game-Shows, Theaterstücke. Einige
waren Klassiker (irgendjemand hier hatte eine Vorliebe für
Gillian Anderson), doch die meisten kannte ich nicht. Ihre
Verweise auf die Gegenwart ließen keine
Rückschlüsse auf den Niedergang der Zivilisation zu,
wie er im

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