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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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erweitern kann. Tamara schiebt den Stab
über den Boden und packt den Schwanz an der Wurzel. Der
tentakelartige Fortsatz schlingt sich erwartungsgemäß
um den Fänger und versucht ihn zu zerquetschen.
    Tamara hebt das Ding hoch und geht zurück zum Boot. Der
Biomech, entstanden oder gebaut an der Schnittstelle zwischen den
Domänen, ist kein schlechter Fang. Er verfügt über
Sinnesorgane und Reflexe und besitzt anscheinend die
Fähigkeit, radioaktive Substanzen durch die Haut aufzunehmen
und anzureichern. Irgendwo im Menschviertel sitzt ein Techniker,
der nach einem solchen Genotyp sucht, jedenfalls hofft sie
das.
    Sie hat soeben im Boot Platz genommen und ist damit
beschäftigt, einen Behälter zu öffnen und die
Beute zu verstauen, ohne ihr nahe zu kommen (aus weniger als zwei
Metern Abstand wird das Ticken des Geigerzählers
quälend), als sie ein Klingeln im linken Ohr vernimmt.
    »Verdammt«, sagt sie. Sie spannt die Halsmuskeln
an und aktiviert das Mikro, schaltet mit einem Blinzeln die
Telefonanzeige ein und nimmt mit einem Zwinkern des rechten Auges
den Anruf entgegen. Das erste Bild wirkt plump, obwohl es mit
halluzinatorischer Intensität zwischen ihr und dem Ende des
Fängers steht. Als würde eine Kamera mit einem
primitiven Aufflackern von Maschinenselbstbewusstsein einen
Monitor abfilmen. Text scrollt darauf, eine Off-Stimme liest
tonlos vor.
    »Rechtshilfeservice der Unsichtbaren Hand. Es liegt ein
dringender Anruf vor von…« – auf einmal
zögert die Stimme, als sei selbst diese erlauchte
Ausführung der IBM-Stimme erstaunt über ihre eigene
Kühnheit -»… David Reid. Möchten Sie ihn
entgegennehmen?«
    »Ja«, sagt Tamara und schluckt.
    Der Monitor minimiert sich augenblicklich in ihrem
Augenwinkel, und das Hauptfenster wird ausgefüllt vom
äußerst real wirkenden Gesicht des Mannes, den sie
schon viele Male gesehen, mit dem sie aber noch nie gesprochen
hat. Das Fenster schwebt vor ihren Augen, Reids Kopf und
Schultern befinden sich dahinter in angenehmer Sprechentfernung.
Hinter ihm ein helles Fenster (anscheinend real). Er geht beim
Sprechen auf und ab.
    »Tamara Hunter?«, sagt er.
    »Ja.«
    Er blickt grinsend an ihr vorbei.
    »Ich sehe, weshalb Sie sich so nennen. Also, kommen wir
zur Sache, Lady. Sie sind derzeit im Besitz eines meiner Robots,
eines Gynoids Modell D, und ich will ihn wiederhaben.
Sofort.«
    Tamara atmet tief durch.
    »Er… sie befindet sich nicht in meinem Besitz.
Sie beansprucht Eigenverfügung, und ich verteidige sie. Wie
auch mehrere vereidigte Verbündete von mir und andere
Klienten der Unsichtbaren Hand.«
    »Blödsinn«, erwidert Reid. »Sie hat gar
nicht genug Verstand, um Eigenverfügung zu
beanspruchen.«
    »Mittlerweile schon, und zwar seit einiger Zeit.
Dafür gibt es auch Zeugen.«
    »Sie meinen das Scheiß-IBM-System. Ihr
Rechtsberatersystem würde nicht mal den Turing-Test
bestehen, geschweige denn, dass es ihn durchführen
könnte.«
    »ICH MISSBILLIGE DAS.«
    »Maul halten!«, sagt Tamara, während sie sich
nach wie vor mit dem Fänger abmüht. Das Ding an seinem
Ende schlängelt sich wie eine schlecht gebändigte Gabel
voll Spaghetti. »Tut mir Leid, Reid. Sie hab ich nicht
gemeint.«
    »Ich weiß das zu schätzen«, bemerkt
Reid trocken. »Was haben Sie eben noch gesagt?«
    »Ich kann vor jedem Gericht Ihrer Wahl menschliche
Zeugen beibringen. Der Gynoid ist nicht mehr Ihr
Spielzeugzombie.«
    Reid kneift die Augen zusammen. »Weil sie Opfer eines
Hackerangriffs wurde. Das ist nicht das Gleiche wie eine autonome
Entwicklung, falls das überhaupt eine Rolle spielen
würde, was es nicht tut.«
    »Es wird allmählich Zeit«, entgegnet Tamara
gelassen. »Ich bin bereit, diesen Fall mit Ihnen
auszufechten.«
    »Ganz wie Sie wollen«, sagt Reid. »Dann
sehen wir uns vor Gericht wieder.«
    »Klagen müssen Sie«, erklärt Tamara.
    »Okay, machen Sie den ersten Vorschlag.« Er
verneigt sich.
    Tamara öffnete mit einem Blinzeln wieder das Fenster der
Unsichtbaren Hand. Dargestellt wird eine Liste der
Gerichtshöfe, geordnet nach absteigender Präferenz. Es
ist eine kurze Liste. Sie wählt den ersten Eintrag, doch
ihre Stimme klingt nicht sonderlich hoffnungsvoll, als sie sagt:
»Eon Talgarth, Gerichtshof des Fünften
Viertels.«
    »Akzeptiert«, sagt Reid ohne Zögern.
    Tamara minimiert das IBM-Fenster und starrt Reid an, der ihren
Blick höflich erwidert.
    »Was?«, sagt sie. Dann: »Bitte

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